AleaThoron
   
  FairyCat's Potions and Passions
  Kapitel 13 — Gesinnungswandlung eines Hauselfs
 
DISCLAIMER: Ich verdiene kein Geld damit, habe jedoch genau den unglaublichen Spaß, der nicht mit Geld aufzuwiegen ist. Alle agierenden Personen gehören JKR. Ich habe sie mir heimlich ausgeborgt, verspreche aber, gut auf sie aufzupassen und sie wohlbehalten und an Erfahrungen reicher und gereifter wieder zurückzugeben.
 
Beta: Deep Water — Mein ganz spezieller Dank gilt meinem Beta, der eigentlich mein Vater ist, und der es sich trotz seiner schweren Krankheit nicht nehmen ließ, mein erster Kritiker zu sein.
 
 
Coniunctio perpetua by Alea Thoron
 
 
Kapitel 13 — Gesinnungswandlung eines Hauselfs
 
Severus hatte ein ausgiebiges Frühstück im Bett genossen, weil Kreacher darauf bestanden — nein, um es deutlicher auszudrücken — ihn beinahe dazu genötigt hatte. Seine Schmerzen und die Erschöpfung waren dank der langen Nachtruhe, die ihm ein paar Tropfen des Traumlostrankes ermöglicht hatten, im Moment zumindest endlich vollkommen verschwunden.
 
Der Zaubertrank hatte ihn gestern Abend sofort ins Reich der Träume geschickt, so dass er keine Möglichkeit mehr gehabt hatte, die Ereignisse des gestrigen Tages und speziell des gestrigen Abends zu überdenken. Er griff nach seinem Zauberstab, den er in Griffweite auf dem Nachtschränkchen abgelegt hatte, nachdem er ihn endlich von Miss Granger hatte zurückfordern können, und drehte ihn geistesabwesend zwischen zwei Fingern.
 
Goldene Funken? Er konnte es immer noch nicht fassen. Seit dem Tag, an dem ihm seine Mutter heimlich in der Winkelgasse seinen ersten Zauberstab gekauft hatte, hatten alle drei Zauberstäbe, die er in seinem bisherigen Leben besessen hatte, immer grüne Funken versprüht. Doch dies hier war eindeutig sein Zauberstab. Kein Zweifel. Er sah auf den Zauberstab in seiner Hand. Er war beinahe 35 cm lang und aus edlem, fast schwarzem Mahagoni, an dem die wunderschöne Maserung aufgrund der dunklen Farbe des Holzes kaum erkennbar war.
 
Severus durchforstete sein Gedächtnis nach den spärlichen ihm bekannten Abhandlungen von Gelehrten der magischen Welt, die die Veränderung magischer Komponenten zum Inhalt hatten. Er konnte sich an keine alte oder neuzeitliche Beschreibung entsinnen, die sich auf den Wechsel des Farbtones eines Funkenregens bezog, der gleich zu Anfang vom Stab selbst gewählt wurde, wenn ein Zauberstab seinen Besitzer auswählte.
 
In dem hintersten Winkel seines Gedächtnisses, ganz tief vergraben unter Brauanleitungen und Rezepturen für Jahrhunderte alte Zaubertränke, die kein Mensch mehr brauchte und an deren Anwendungsbereiche sich kaum jemand erinnerte, fand er mehrere Bruchstücke eines Essays, das unter anderem die eventuellen Gründe für die Veränderung eines Patronus’ erwähnte. Nichts davon entsprach der existierenden Situation. Nun, das war auch nicht wirklich das, was er suchte.
 
Severus zog die Bettdecke ein Stück höher und verschob das Kissen unter seinem Kopf, um es sich noch ein wenig bequemer zu machen. Die Sonne war bereits vor zwei Stunden aufgegangen und er konnte die Vögel in den Bäumen vor dem Fenster zwitschern hören. Es versprach erneut ein schöner Tag zu werden. Ein weiterer Tag, den er in Freiheit erleben durfte. Er streckte sich.
 
Plötzlich erstarrte er förmlich in der Bewegung. >Patronus!?< Warum hatte er nicht gleich daran gedacht? Was, wenn nun die Veränderung der Farben des Funkenregens nicht die einzige Veränderung wäre?
 
Im Zeitlupentempo zog er die Hand, die seinen Zauberstab umfasst hielt, zu sich heran und starrte auf den Stab. Er wagte kaum zu atmen. Was, wenn sein Patronus nicht mehr sein Patronus war? Die kleine silberne Hirschkuh war seine letzte sichtbare Verbindung zu Lily. Etwas, was er auf keinen Fall verlieren wollte. Er fürchtete sich vor dem, was er jetzt tun musste, doch er brauchte Gewissheit.
 
Er setzte sich bedächtig im Bett auf, rutschte ein ganzes Stück nach hinten und lehnte seinen Oberkörper gegen das Kopfteil des riesigen Bettes, nachdem er eines der Kissen in seinen Rücken gestopft hatte. Erneut spürte er, wie die eiskalte Hand der Furcht nach seinem Herzen griff und ihn hinsichtlich seiner Entscheidung mit sich selbst kämpfen ließ.
 
Er hob seinen Zauberstabarm und setzte an, den Zauberspruch zu werfen, zögerte im letzten Moment jedoch und ließ den Arm wieder sinken. Im selben Augenblick begann seine innere Stimme ihn wütend als Feigling zu beschimpfen. Aber er war kein Feigling. Nein! Er! War! Kein! Feigling! Seine Hand umklammerte mit einer solchen Kraft den Griff seines Zauberstabes, dass seine Knöchel weiß hervortraten. Als er sich dessen bewusst wurde, lockerte er mit großer mentaler Anstrengung diesen Klammergriff und atmete erstmals wieder tief durch. Er benötigte seine gesamte Energie und auch noch die wenigen verbliebenen Reserven, um seinen Arm erneut zu heben.
 
Sein »Expecto Patronum!« hallte durch das Zimmer.
 
Aus der Spitze seines Zauberstabes barst ein Tier, das nicht im Entferntesten Ähnlichkeit mit einer Hirschkuh hatte. Ja, es war silberfarben, aber damit hörten die Ähnlichkeiten mit seiner Hirschkuh auch bereits auf. Vor ihm in der Luft tollte übermütig ein junger Luchs herum. Severus schloss voller Schmerz und in unendlicher Enttäuschung die Augen.
 
Es dauerte eine ganze Weile, ehe er sich dazu durchringen konnte, seine Augen wieder zu öffnen. Er bemerkte erst jetzt, wie sehr seine Hand zitterte. Der kleine silberne Luchs hatte sich auf die Bettdecke gesetzt, den Kopf leicht schief gelegt, und schaute ihn aus schwarzen, sehr klugen Augen mit einem Ausdruck voller Interesse und Verständnis an. Irgendetwas an diesen Augen kam ihm seltsam vertraut vor, doch er konnte es nicht zuordnen.
 
Der Luchs streckte seine Pfote nach ihm aus, als ob er ihn berühren wollte, stieß sich dann jedoch ab und schoss in die Luft, wo er sich mehrmals um sich selbst drehte. Dann rannte er wieder auf ihn zu und ließ sich erneut auf der Bettdecke nieder. Seine Ohren mit den noch winzigen Pinseln drehten sich in seine Richtung, so dass es so aussah, als wenn das silberne Tier seine gesamte Aufmerksamkeit auf Severus richtete.
 
Severus schüttelte grübelnd seinen Kopf. Sowohl Poppy als auch er hatten die richtige Vermutung gehabt. Bei seiner Rettung musste sich viel mehr abgespielt haben, als ein paar Zaubertränke bewirken konnten. Er hörte wieder Kreachers Worte ‘Missy ist etwas ganz Besonderes, Schulleiter.’ und sah das kleine mit Perlen bestickte Abendtäschchen vor sich.
 
>Das Buch!!!< Er war nach seiner Flucht gestern dermaßen erschöpft gewesen, dass er sich nur noch mit letzter Kraft hatte auf den Stuhl sinken lassen können. Eine neue Welle von Übelkeit hatte ihn überrollt und vor seinen Augen war die Umgebung verschwommen, so dass er sie hatte schließen müssen. Die Schmerzen in seinem Nacken — in seinem gesamten Körper — hatten ihn fast an den Rand der Besinnungslosigkeit getrieben und sein Denken vollkommen ausgeschaltet. Er hatte das direkt vor seiner Nase liegende Buch nicht einmal bemerkt, bis er den Schrei gehört und eine Hand danach gegriffen hatte.
 
In diesem Moment hatte er einfach instinktiv reagiert und in vollem Vertrauen auf seine langjährig bewährten Reflexe nach dieser Hand geschnappt. Er hatte sie nach seinen Begriffen meilenweit verfehlt und nur noch das Handgelenk erwischt, was ihm ungewollt vor Augen führte, wie miserabel sein Zustand war. Erst im Verlaufe ihrer kleinen hitzigen Debatte war ihm mit erschreckender Deutlichkeit klar geworden, dass dieses Buch vermutlich den Schlüssel zu all seinen Fragen beinhaltete. Und nun war genau dieses Buch — unerreichbar für ihn — in einer kleinen Perlenhandtasche verschwunden.
 
Er sah auf den jungen Luchs, der immer noch auf der Bettdecke saß und nun dabei war, seine Pfote zu lecken, obwohl er Severus dabei nicht aus den Augen ließ. »Wir werden es herausfinden, mein kleiner neuer Freund«, sagte Severus zu ihm. Als ob das silberne Tier ihn verstanden hätte, ließ es von seiner Pfote ab, funkelte Severus mit seinen schwarzen Augen beinahe herausfordernd an und gab ein lautloses zustimmendes Maunzen von sich.
 
Severus seufzte schwer. Er wusste jedoch, dass der kleine Luchs keine Schuld daran trug, dass er keine silberne Hirschkuh war. Irgendetwas sehr Schwerwiegendes musste in der Heulenden Hütte geschehen sein. Es war an der Zeit, dass er sich persönlich auf die Suche nach Antworten machte. Mit einem kurzen Schlenker seines Zauberstabes verschwand der Luchs. Er nahm den Aufpäppeltrank ein, den er gestern Abend von Miss Granger erhalten hatte und den er für diesen Zweck bis heute Morgen aufgehoben hatte, und stand auf.
 
Irgendetwas war anders an dem Geschmack. Schon gestern Nacht, als er den Schmerztrank genommen hatte, war ihm aufgefallen, dass Farbe und Konsistenz einem normalen Schmerztrank entsprachen, so wie er ihn in Hogwarts lehrte, jedoch der Geschmack ein wenig anders war. Sie musste die Tränke modifiziert haben. Und er glaubte auch zu wissen, was neu war. Sie hatte Liebstöckel hinzugefügt. Beide Tränke wirkten weitaus stärker als alles, was er selbst bisher gebraut hatte.
 
Er fühlte eine ihm sehr wohl bekannte Unruhe in sich aufsteigen, von der er genau wusste, dass sie erst vergehen würde, wenn er die überfälligen Antworten auf seine Fragen gefunden hatte. Und dazu musste er als erstes Miss Granger finden.
 
Eine halbe Stunde später öffnete er die Tür zum Korridor und lauschte angestrengt.
 
*'*'*'*'*
 
Hermione war noch vor Sonnenaufgang aufgestanden und hatte sich leise in die Küche geschlichen. Sie hatte gerade die Pfanne aus dem Schrank genommen, um sich selbst Rührei und Toast zum Frühstück zuzubereiten, als sie hinter sich ein »Das ist Kreachers Aufgabe, Miss Hermione!« hörte. Sie ließ vor Schreck beinahe die Pfanne fallen.
 
»Entschuldige, Kreacher, ich wollte dich nur nicht wecken«, antwortete sie schuldbewusst, als sie sich zu ihm herumdrehte.
 
Kreacher schaute sie streng und ein klein wenig beleidigt an, bevor er merkte, dass er diesen Gesichtsausdruck ihr gegenüber nicht mehr lange würde aufrechterhalten können und voller Wärme zu lächeln begann. Dieses muggelgeborene Mädchen nahm einfach viel zu viel Rücksicht auf magische Wesen, deren Existenz von anderen nicht einmal wahrgenommen wurde.
 
»Miss Hermione setzt sich jetzt schön brav an den Tisch und Kreacher wird Missy ein ausgiebiges Frühstück zaubern.« Damit nahm er ihr die Pfanne aus der Hand und schob Hermione vorsichtig in Richtung Küchentisch. Sie wehrte sich nicht, da sie wusste, dass sie diesen Kampf sowieso verlieren würde.
 
Mit einem verschmitzten Blick von unten herauf fragte er dann: »Was möchte Miss Hermione unbeobachtet erledigen, dass sie schon um diese Uhrzeit so heimlich hier herumschleicht? Alle anderen schlafen noch.«
 
Hermione seufzte. »Ich hatte keine Ahnung, dass ich so leicht zu durchschauen bin, Kreacher.«
 
Dieser drehte sich kurz von seiner Pfanne ab und warf ihr einen weiteren listigen Blick zu. »Kreacher weiß, dass Missy sich um den Schulleiter und um Master Harry sorgt. Sie wollen irgendetwas für einen von beiden tun.«
 
»Okay.« Sie gab sich geschlagen. »Ich will in den Keller und einige Zaubertränke aufsetzen. Mein Vorrat an Schmerztränken und Aufpäppelungstränken geht langsam zu Ende.«
 
»Kreacher wusste es doch!« Ein paar Augenblicke später stand eine große Portion Rührei vor ihr und Kreacher stellte einen Teller mit Toast vor sie hin. »Guten Appetit, Miss Hermione.«
 
»Danke, Kreacher.« Mit einer tiefen Verbeugung wollte er gehen, doch Hermione hielt ihn mit ihrer nächsten Frage zurück. »Leistest du mir ein wenig Gesellschaft, Kreacher?«
 
»Aber … Kreacher ist doch nur … ein Hauself!«
 
»Und???« Hermione sah ihn verständnislos an. »Darf ich mir deshalb nicht deine Gesellschaft wünschen und mich nicht mit dir unterhalten?«
 
»Oooh… Missy!!!« Kreacher schüttelte fassungslos den Kopf.
 
»Komm, setz dich zu mir. Ich würde dich gern etwas fragen.« Sie nahm nun endlich ihre Gabel und begann zu essen.
 
Der alte Hauself kam um den Tisch herum. »Soll Kreacher sich wirklich setzen?«, fragte er vorsichtig. Hermione konnte nur heftig nicken, da sie gerade einen Bissen Rührei in den Mund geschoben hatte. Kreacher setzte sich schüchtern auf die vorderste Kante des Küchenstuhles neben Hermione und sah sie erwartungsvoll an.
 
»Dieses Geschirrtuch, das du trägst … was hat es damit auf sich?«, fragte Hermione, nachdem sie den Bissen heruntergeschluckt hatte. Sie hatte schon eine ganze Weile darüber nachgedacht, ob es mit dem Geschirrtuch, das Kreacher anstelle von Kleidung trug, eine besondere Bewandtnis hatte. Es war ihr bereits am Morgen nach der Letzten Schlacht aufgefallen. Allerdings hatten seitdem andere Probleme diese Frage immer wieder aus ihren Gedanken und in den Hintergrund verdrängt.
 
Kreacher schaute an sich herunter. Er trug ein Geschirrtuch in Slytherin-Farben, das makellos sauber war. Dann hob er den Blick und sah Hermione an. »Schulleiter Snape gab Kreacher persönlich dieses Geschirrtuch in den Farben seines Hauses.«
 
Hermione sah ihn erstaunt und fragend an. »Professor Snape persönlich?«
 
Kreacher blickte würdevoll und stolz auf sein Geschirrtuch. »Ja.«
 
Hermione ahnte, dass sich dahinter vermutlich eine Geschichte verbarg, bei der es sich höchstwahrscheinlich lohnen würde, sie anzuhören. Sie entschied sich aus ihrem Bauchgefühl heraus dafür, Kreacher dazu zu ermutigen, ihr genau diese Geschichte zu erzählen. Vielleicht würden sich dabei Informationen ergeben, die sich irgendwann einmal als nützlich erweisen würden. »Willst du mir erzählen, wie es dazu kam?« Aufgrund seiner aufleuchtenden Augen und der sich straffenden Sitzhaltung konnte sie erkennen, dass er stolz darauf war, ihr davon berichten zu dürfen.
 
»Nun, das ist eine längere Geschichte, Miss Hermione.«
 
»Das macht nichts. Wir haben Zeit«, beruhigte sie ihn.
 
Kreacher räusperte sich umständlich. »Kreacher hat damals mit dem Essen auf Master Harry und seine Freunde gewartet. Doch Master Harry kam nicht. Stattdessen kam dieser Todesser — Yaxley.« Er spie diesen Namen regelrecht aus. »Und … Yaxley … brachte auch noch seine sauberen ‘Kumpels’ mit. Kreacher hat sich versteckt und musste mit ansehen, wie sie Kreachers Zuhause verwüstet haben.« Seine Stimme war immer leiser und wehmütiger geworden und eine Träne lief seine Wange hinunter.
 
Mitleid überkam Hermione, doch sie unterbrach ihn nicht. Ganz langsam nur beruhigte sich der alte Hauself wieder, wischte sich die Tränen von der Wange, die der ersten gefolgt waren, und erzählte weiter.
 
»Master Harry hatte kurz vor seinem sechsten Schuljahr darauf bestanden, dass Kreacher nach Hogwarts geht, um dort in der Küche zu arbeiten. Als diese Männer immer näher an Kreachers Versteck herankamen, beschloss Kreacher, nach Hogwarts zu apparieren, wie sein Master ihm erlaubt hatte.« Er lächelte dankbar.
 
Hermione war sich ziemlich sicher, dass er bei diesen Worten auch an seinen Master Regulus dachte, der ihm gesagt hatte, dass er nach Hause zurückkehren solle, wenn er seine Aufgabe bei Lord Voldemort erledigt hätte.
 
»Viele schlimme Dinge geschahen in dieser Zeit in der Schule, und Kreacher hatte immer noch keine Nachricht über den Verbleib von Master Harry und seinen Freunden. Er machte sich große Sorgen. Dobby und die anderen Hauselfen haben versucht, Kreacher mit Geschichten aus der Schulzeit von Master Harry und seinen Freunden von seinem Kummer abzulenken, aber Kreacher glaubt, dass er es ihnen sehr schwer gemacht hat.«
 
Er sah sehr nachdenklich aus, als er mit seiner Erzählung fortfuhr. »Von Schuljahresbeginn an war Dobby der persönliche Hauself von Schulleiter Snape. Kreacher hat damals schon für sich gedacht, dass Dobby sehr viel mehr Informationen über die Geschehnisse besitzen musste, als er uns glauben machen wollte. Im März dieses Jahres verschwand Dobby jedoch und kehrte nicht zurück. Am nächsten Morgen, nach Dobbys Verschwinden, wurde Kreacher zu Schulleiter Snape gerufen und zu seinem persönlichen Hauselfen bestimmt.«
 
Der alte Hauself hatte den Blick gehoben und sah Hermione nun vollkommen offen an. »Kreacher schämt sich unendlich, dies erzählen zu müssen, aber am Anfang hat Kreacher gedacht, dass er jetzt in einer Position wäre, wo er die Befehle von Schulleiter Snape untergraben könne, um seinem Master auf irgendeine Art und Weise zu helfen. Er hielt den Schulleiter für … für einen brutalen Todesser.«
 
Kreacher schlug reumütig die Augen nieder. Er machte in diesem Moment auf Hermione den Eindruck, dass er vor Scham am liebsten im Erdboden versinken wolle. Er erwartete harte Worte als zumindest verbale Bestrafung von seiner Missy, doch nichts dergleichen geschah. Ganz im Gegenteil, Hermione, die gerade den letzten Bissen ihres Frühstücks in den Mund gesteckt hatte, lächelte ihn nachsichtig an.
 
Staunen zeichnete sich in seinem Gesicht ab. »Miss Hermione ist Kreacher nicht böse?«
 
Hermione schüttelte nur den Kopf. »Nein, Kreacher. Wie könnte ich das? Du hast schließlich in bester Absicht gehandelt.«
 
Hermione konnte die riesige Erleichterung in seinem Gesicht sehen. Ein vorsichtiges Lächeln stahl sich in seine Züge. Seine gesamte Haltung entspannte sich sichtlich. »In den nächsten Tagen und Wochen erkannte Kreacher langsam immer mehr, was Schulleiter Snape alles unternahm, um die in Hogwarts verbliebenen Schüler und Schülerinnen zu schützen.
 
Dann bekam Kreacher die Möglichkeit, den Berichten des Portraits von Phineas Nigellus Black im Büro des Schulleiters zu lauschen und mitzuerleben, wenn Schulleiter Snape mit dem alten Schulleiter Dumbledore über die Fortschritte oder Misserfolge des ‘Goldenen Trios’ diskutierte. Erst zu dem damaligen Zeitpunkt erfuhr Kreacher, dass sein Master und dessen Freunde noch lebten. Von diesem Moment an hat Kreacher alles getan, um Schulleiter Snape zu unterstützen.«
 
Hermione hatte der Geschichte des alten Hauselfen mit Staunen gelauscht. Nach all dem verstand sie nun endlich den großen Respekt, den Kreacher Severus Snape entgegenbrachte. Und da war noch eine Kleinigkeit: Kreacher hatte während Voldemorts Schreckensherrschaft mehrere Monate in Hogwarts verbracht. Er besaß — wie er selbst bereits angedeutet hatte — Informationen über die Geschehnisse dort.
 
Sie wusste, dass es notwendig sein würde, so schnell wie möglich eine Verteidigungsstrategie zu entwickeln, falls es Kingsley Shacklebolt nicht gelingen sollte, den Hohen Rat der Zauberer von Professor Snapes Unschuld zu überzeugen und es zu einem Prozess gegen ihn kommen sollte. Harry würde dabei einen wichtigen Zeugen abgeben, auf Ron brauchte sie nach seinem Ausbruch und seinem vermutlichen Verrat allerdings nicht zu hoffen. Doch hier bot sich eine Möglichkeit, an die sie vorher gar nicht gedacht hatte. Ihr Bauchgefühl hatte sie nicht getrogen. Dies konnte wichtig werden.
 
Hermione wandte sich nun direkt zu dem alten Hauselfen. »Du magst Professor Snape, oder?«
 
»Oh ja, Miss Hermione.«
 
Sie konnte das Zittern ihrer Stimme kaum unterdrücken. »Es wird in naher Zukunft ein großes Problem auf uns zukommen, Kreacher. Es ist relativ wahrscheinlich, dass Professor Snape vor dem Zaubergamot, dem Hohen Rat der Zauberer, der Prozess gemacht wird wegen seiner Zugehörigkeit zu den Todessern.«
 
Kreachers Ohren klappten nach vorn und seine Augen wurden tellergroß. »Nein! Das hat er nicht verdient!«
 
»Das sehe ich genauso. Aber wir müssen der Tatsache ins Auge sehen, dass dies geschehen könnte. Würdest du mir in den nächsten Tagen erzählen, was sich in Hogwarts unter seiner Amtszeit ereignet hat? Vielleicht können diese Informationen helfen, Professor Snape zu verteidigen.«
 
»Kreacher wird alles tun, um zu helfen«, antwortete der Hauself enthusiastisch. »Schulleiter Snape darf unter keinen Umständen verurteilt werden.«
 
»Dann werden wir darüber reden, was du erlebt hast«, stellte Hermione fest. »Aber jetzt werde ich erst einmal die Tränke im Keller aufsetzen. Das ist im Moment noch dringlicher. Danke für das Frühstück.« Sie lächelte ihn an. Kreacher rutschte von seinem Stuhl und verbeugte sich tief.
 
Hermione stand auf und ging mit neuem Tatendrang bis zum Ende des kurzen engen Korridors, wo die Treppe aus dem Keller in die Eingangshalle hinausführte. Der Zugang zum Labor war nicht einfach zu entdecken. Während ihrer nächtlichen Streifzüge durch Sirius’ Zuhause damals in den Sommerferien war sie eigentlich nur durch Zufall darauf gestoßen, dass sich hier ein weiterer Keller mit einem ziemlich gut ausgerüsteten kleinen Labor befand. Sie war heilfroh, als sie feststellte, dass die Todesser diesen Teil des Hauses nicht gefunden hatten, und sie alles so vorfand, wie sie es damals verlassen hatte.
 
Sie suchte sich in dem winzigen Nebenraum, den sie sich damals als eine Art Vorratslager eingerichtet hatte, die Zaubertrankzutaten für den Stärkungstrank und den speziellen Heiltrank heraus, die sie herstellen wollte. Beide Tränke entsprachen nur noch in Ansätzen dem, was sie bei Professor Snape in Hogwarts gelernt hatte, sondern waren von ihr selbst vorgenommene Weiterentwicklungen dieser Tränke, die weitaus schneller wirkten und viel stärker waren. Dabei stellte sie fest, dass sie irgendwann würde in die Winkelgasse apparieren müssen, um neue Zutaten zu besorgen.
 
Danach holte sie zwei Kessel und begann mit der Zubereitung der Basen für beide Zaubertränke. Mehr als eine Stunde später stellte sie die Flammen unter den Kesseln so klein ein, dass die fast fertigen Tränke nur noch vor sich hin köchelten. Der Aufpäppelungstrank musste nun für eineinhalb Stunden ruhen und der Heiltrank für fast zwei Stunden. Erst danach würde sie die noch fehlenden Zutaten hinzugeben können. Da sie hier nun nichts mehr tun konnte, ging sie hinauf, um die Zeit für weitere Aufräumarbeiten in der Bibliothek zu nutzen.
 
Hermione stellte sich zuerst einen alten Muggelwecker, der sie daran erinnern sollte, dass der erste Zaubertrank wieder ihrer Aufmerksamkeit bedurfte. Dann sah sie sich um. Das Furnier der fertigen Regale glänzte im durch die vorderen Fenster einfallenden Sonnenschein. Sie wollte sich das nächste Regal vornehmen, als sie feststellte, dass die Regalbretter fehlten.
 
Dann erinnerte sie sich daran, dass sie gestern in der hintersten Ecke, wo vorher die Bücher über Dunkle Magie gestanden hatten, einen Haufen mit zerstörten Regalbrettern entdeckt hatte. Sie verschwand nach hinten. Als sie bereits eine ganze Weile dort gearbeitet hatte, hörte sie, wie sich die Tür zur Bibliothek öffnete und jemand zischend die Luft einsog. Dann herrschte etwa eine halbe Minute Stille.
 
»Ich bin hier hinten!«, rief sie, als ihr diese Stille seltsam erschien und da sie vermutete, dass Harry oder eventuell auch Kreacher nach ihr suchten.
 
»Was ist hier passiert? Hat Mister Longbottom seine Fähigkeit, einen Kessel zur Explosion zu bringen, in der Bibliothek des Edlen und Altehrwürdigen Hauses derer von Black demonstriert?«, fragte Severus Snapes tiefe Stimme, der man immer noch die unangenehme Überraschung anmerken konnte, bevor der beißende Spott wieder die Oberhand gewann.
 
Hermione hatte überrascht den Kopf gehoben. »Professor! Sie sollten sich schonen und nicht hier herumlaufen.« Im selben Moment hätte sie sich am liebsten auf die Zunge gebissen. Er würde ihre Besorgnis sicherlich nicht zu schätzen wissen und diese nur als einen Übergriff auf sein Privatleben interpretieren.
 
Ein funkelnder Blick gefolgt von einem spöttischen Lächeln trafen sie. »Miss Granger, auch wenn Sie für meine Rettung verantwortlich sind, gibt dies Ihnen nicht das Recht, sich in meine Privatangelegenheiten einzumischen oder meinen Gesundheitszustand zu überwachen.« Schon als er die Worte aussprach, wusste er genau, dass er ihr Unrecht tat. Wenn irgendjemand das Recht dazu hatte, dann sie.
 
Hermione seufzte innerlich schwer, als sich ihre Ahnung augenblicklich bestätigt hatte. >So weit also zu Professor McGonagalls gestrigem Appell an seine Höflichkeit und Freundlichkeit mir gegenüber.< Nun gut, sie hatte nicht viel anderes erwartet. Doch auch seine Grobheiten und die ständige Zurückweisung aller ihrer Versuche, sich entgegenkommend zu verhalten, würden nichts an ihrer Entscheidung ändern, weiterhin für ihn und seine Zukunft zu kämpfen. Trotzdem konnte sie nicht verhindern, dass sie tief in ihrem Inneren Enttäuschung verspürte. Sie drehte sich wortlos ab und begann mit dem nächsten Brett.
 
»Ich hatte Ihnen eine Frage gestellt, Miss Granger, genauer gesagt sogar zwei. Ich erwarte wenigstens so viel Respekt von Ihnen, dass Sie mich einer Antwort würdigen.« Sein harscher Tonfall zeigte, dass Hermiones Reaktion oder Nicht-Reaktion auf seine Worte — wie man dies auch immer sehen wollte — ihn inzwischen ungehalten werden ließ. Doch Hermione weigerte sich beharrlich, ihn auch nur eines Blickes zu würdigen.
 
Das folgende beharrliche Schweigen auf beiden Seiten dehnte sich immer länger, doch keiner von beiden wollte nachgeben. Hermiones nonverbales >Reparo!< ließ mehrere Bruchteile zischend durch die Luft fliegen, die sich mit lautem Poltern selbständig zu einem weiteren Regalbrett zusammensetzten. Da Severus nicht darauf vorbereitet gewesen war, zuckte er bei diesem Höllenlärm erschrocken zusammen, was einen heftigen Schmerz in seinem Nacken verursachte, der ihn ungewollt aufstöhnen ließ.
 
»Wie ich sagte: Sie sollten im Bett bleiben!« Dieses Mal gab Hermione ihren Kommentar wohl überlegt und in voller Absicht ab. Da sie ihren Blick gehoben hatte, konnte sie nun erkennen, welche Selbstbeherrschung es ihn kostete, eine weitere schneidende Bemerkung ihr gegenüber zu unterdrücken und seine Schmerzen vor ihr zu verbergen, bevor er durch diese psychische Anstrengung erschöpft die Augen schloss. Mitleid überkam sie, doch ihr war bewusst, dass sie es ihm nicht zeigen durfte. Sie wusste instinktiv, dass dieser Mann kein Mitleid akzeptieren würde, schon gar nicht von ihr. Trotzdem stand sie aus ihrer hockenden Position auf und ging zu ihm hinüber.
 
Und dann tat sie etwas, was sie sich vor einigen Tagen nicht einmal in ihren kühnsten Träumen hätte vorstellen können. Ganz langsam streckte sie die Hand nach ihm aus und legte sie ihm leicht auf den Unterarm. Einen Moment lang hatte sie das Gefühl, dass er vor ihr zurückzucken und ihr seinen Arm entziehen wollte, doch dann schien er sich anders zu entscheiden. Sie konnte die Wärme spüren, die von seinem Arm ausging.
 
»Ich möchte nur, dass Sie vorsichtig sind. Ich mache mir Sorgen um Sie, auch wenn Sie das vielleicht nicht verstehen wollen oder können«, sagte sie leise.
 
»Warum sollten Sie. Es gibt absolut keinen Grund dafür.« Er schaute sie nicht an, hatte den Blick abgewandt, als ob er nicht ertragen könnte, eine Lüge in ihrem Gesicht zu entdecken.
 
Sie machte — ohne die Hand von seinem Arm zu nehmen — einen halben Schritt um ihn herum, so dass er ihrem Blick nicht mehr ausweichen konnte und gezwungen war, sie anzusehen. »Seit gestern Abend wissen Sie ganz genau, dass ich Sie in der Heulenden Hütte gefunden habe. Das allein sollte Ihnen begreiflich machen, dass ich mir wirklich Sorgen um Sie mache.«
 
Sein forschender Blick traf sie. Er suchte in ihrem Gesicht nach Antworten auf die Fragen, die ihn seit seinem erstmaligen Erwachen im Krankenflügel von Hogwarts bewegten. »Warum haben Sie mich nicht einfach sterben lassen?«
 
Hermione hielt seinem Blick lange stand, bevor sie die Augen abwandte. Sie war sich nicht sicher, wie sie die Gefühle in Worte kleiden sollte, die sie empfunden hatte. Gegenüber Harry war es relativ einfach gewesen, bei Ron schon weitaus schwerer, aber jetzt und hier wusste sie nicht einmal, wie sie beginnen sollte.
 
Sie räusperte sich umständlich. »Als ich in die Heulende Hütte kam, wollte ich eigentlich nur den Menschen nach Hause holen, der durch seinen einsamen aufopferungsvollen Einsatz zu unserem Sieg über V-Voldemort so entscheidend beigetragen hatte. Ich wollte, dass Sie wenigstens im Tode den Platz erhalten, der Ihnen zusteht«, gestand sie leise.
 
Severus war extrem dankbar dafür, dass jahrelange Übung durch seine Rolle als Spion ihn davor bewahrte, laut aufzukeuchen. Er hatte mit Vielem gerechnet, allerdings nicht damit, nach Hause geholt zu werden. Niemand — wenn man von Poppy absah — hatte sich seiner Kenntnis nach jemals die Mühe gemacht, irgendetwas für ihn zu tun. Er sah seine ehemalige Schülerin genauer an, so, als würde er sie das erste Mal sehen.
 
Noch immer getraute Hermione sich nicht, Severus anzusehen. Zu schlimm war diese Erinnerung, die sich in ihrem Gedächtnis eingebrannt hatte, als dass er in ihrem Gesicht lesen sollte, wie sehr sie immer noch darunter litt. »Ich erwartete, einen Toten zu finden. Stattdessen fand ich einen Menschen, der um sein Leben kämpfte«, begann sie ganz leise zu erzählen. »In den Stunden davor hatte ich Freunde sterben sehen, hatte nach der Schlacht mitgeholfen, die Leichen von Fred Weasley, Colin Creevey, Remus und Nymphadora Lupin und so vielen anderen aufzubahren, und stand nun dem Wunder gegenüber, jemanden lebend vorzufinden, den ich mit eigenen Augen glaubte sterben gesehen zu haben …«
 
Ihre Stimme war zu einem Flüstern gesunken. Severus Snape erkannte im Gesicht dieser jungen Frau die Trauer, den Schmerz und die Verzweiflung, die sie bei der Erinnerung erneut zu überrollen drohten. Doch sie fing sich wieder und Severus bewunderte sie dafür. Aus dem kleinen Mädchen in seinem Zaubertränke-Klassenzimmer, das er mit ein paar wenigen gut gewählten spöttischen Worten hatte zum Weinen bringen können, war eine unglaublich starke Frau geworden.
 
Hermione hatte sich jetzt soweit im Griff, dass sie weitersprechen konnte. »…In diesem Moment, als ich begriff, dass Sie noch am Leben waren, als ich Ihnen die Zaubertränke verabreicht habe, habe ich mir geschworen, dass ich alles dafür tun werde, damit Sie überleben.« Sie schaute ihn trotzig an. »Und nun dürfen Sie mich dafür in den nächsten Tag hexen.«
 
Er sah in ihre Augen, in denen er nur Wärme und Ehrlichkeit fand. Doch er spürte auch, dass es da noch etwas anderes gab, irgendetwas, was sie nicht bereit war, ihm gegenüber zu offenbaren. Die Betonung des Wortes ‘alles’ hatte ihn begreifen lassen, dass er mit seiner Ahnung richtig gelegen hatte: Es hatte mehr als ein paar nützlicher Zaubertränke bedurft, um ihn am Leben zu halten.
 
Severus war sich dessen bewusst, dass er wahrscheinlich der größte noch lebende Legilimentiker war, doch er wusste ebenfalls, dass er diese Fähigkeit nicht gegen sie einsetzen würde. Er verstand nicht, weshalb dies so war, aber er wollte, dass sie ihm diese für ihn so wichtigen Informationen freiwillig gab. Erneut hörte er Minervas eindringliche Worte und verstand plötzlich, dass sie Recht gehabt hatte. Hermione Granger verdiente Höflichkeit und Freundlichkeit mehr als jeder andere.
 
»Erklären Sie mir die Bedeutung des Wortes ‘alles’, bitte.«
 
 
 
Fortsetzung folgt …
 
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