AleaThoron
   
  FairyCat's Potions and Passions
  Kapitel 18 — Eskalation
 

 

DISCLAIMER: Ich verdiene kein Geld damit, habe jedoch genau den unglaublichen Spaß, der nicht mit Geld aufzuwiegen ist. Alle agierenden Personen gehören JKR. Ich habe sie mir heimlich ausgeborgt, verspreche aber, gut auf sie aufzupassen und sie wohlbehalten und an Erfahrungen reicher und gereifter wieder zurückzugeben.
 
Beta: Deep Water — Mein ganz spezieller Dank gilt meinem Beta, der eigentlich mein Vater ist, und der mich mit »Und wann schreibst Du endlich Deine eigene Geschichte?« erst dazu gebracht hat, diese Story Wirklichkeit werden zu lassen.
 
 
Coniunctio perpetuaby Alea Thoron
 
 
Kapitel 18 — Eskalation
 
»Hermione! Neiiiin!!!« Harrys Entsetzensschrei hallte durch die Küche, und er stürzte zur Tür hinüber, während Ron immer noch wie angewurzelt an der gleichen Stelle stand. Harry sah nicht mehr, wie aus den Zauberstäben von Kingsley Shacklebolt und Hestia Jones lange Seile schossen, um Percy Weasley, der sich immer noch wie wild gebärdete, der mit aller Kraft versuchte, sich zu befreien und wüste Beschimpfungen in Richtung seiner Eltern und des Ministeriums brüllte, wie ein Paket zu verschnüren, hörte nicht, wie Bill Weasley einen Silencio-Zauber über seinen Bruder warf, um ihn endlich zum Schweigen zu bringen und zwischendurch Arthur Weasley selbst »Petrificus Totalus!« brüllte, um ihn endgültig ruhig zu stellen. Nackte Angst schnürte Harry die Kehle zu, als er die riesige Blutlache sah, in der Hermione lag.
 
Neben ihr knieten Severus Snape und Poppy Pomfrey mit gezückten Zauberstäben auf dem Boden. Sie hatten ihr die Robe und die Bluse, die sie darunter trug und die beide mehrere sich kreuzende lange Schnitte aufwiesen, bereits heruntergerissen, so dass ihr weißer Baumwoll-BH sichtbar war. Er schob die Kette beiseite, die um ihren Hals hing und deren Anhänger in diesem Moment grün aufblitzte. Seine Hand erstarrte für einen Augenblick mitten in der Luft, und er konnte nicht glauben, was er sah. Im Gegensatz zu den ihn umgebenden Geräuschen und Geschehnissen, die er vollkommen ausgeblendet hatte, erinnerte ihn ein leises Stöhnen von Hermione allerdings sofort daran, warum er hier auf dem Boden kniete. Nicht einmal eine Sekunde später wandte er seine volle Aufmerksamkeit den schweren Verletzungen zu, da ihm bewusst war, was von seiner Umsicht und seiner Konzentration abhing. Die Jeans, in die eine der entsetzlichen Schnittwunden eintauchte, war geöffnet und beide beugten sich nun über ihren Körper, wo der schwarzmagische Zauberspruch ihre gesamte linke Seite bis weit über ihren Unterbauch hinunter mit mehreren Schnitten tief aufgeschlitzt hatte.
 
Madame Pomfrey hatte bereits mehrere der stärksten Heilzauber, die die magische Welt jemals entwickelt hatte, über die klaffenden Wunden gesprochen, die dafür sorgten, dass wenigstens die schlimmsten Blutungen gestillt wurden und eventuelle Folgewirkungen einer solchen Verletzung ausbleiben würden, doch Poppy wusste, dass diese Zauber die Wunden auf keinen Fall heilen konnten. Severus, der den Fluch schließlich genau kannte — immerhin hatte er ihn in seinem sechsten Schuljahr selbst geschaffen — begann ohne auch nur eine weitere Sekunde verstreichen zu lassen damit, den Gegenfluch zu werfen, der in Harrys Ohren seltsamerweise wie ein Lied klang, Erst damit gelang es, Hermiones Wunden zu verschließen und die höchstwahrscheinlich ebenfalls verletzten inneren Organe zu regenerieren.
 
»Wir brauchen einen blutbildenden Trank. Sie verliert zu viel Blut«, rief Madame Pomfrey, an niemanden im Speziellen gewandt.
 
Harry überbrückte die kurze Distanz mit einem einzigen Satz und ließ sich neben Madame Pomfrey auf die Knie fallen. Er begann hektisch, die Innentaschen von Hermiones zerfetzter Robe zu durchwühlen, bis er fand, was er suchte: Die kleine, mit Perlen besetzte Handtasche. Er öffnete sie und spähte kritisch hinein. Doch sie war zu vollgestopft und das Chaos dort drinnen ließ ihn geradezu schwindlig werden. Also half er sich auf magische Art. »Accio Blutbildungstrank!«, zischte er hektisch, und der Trank flog augenblicklich in seine Hand. Sofort reichte er ihn an Madame Pomfrey weiter, die die Phiole entkorkte und den Inhalt vorsichtig der bewusstlosen Hermione einflößte.
 
Vor Harrys inneres Auge schob sich eine Erinnerung aus seinem sechsten Jahr in Hogwarts. Er war im Klo der Maulenden Myrthe auf einen heulenden Draco gestoßen und hatte im Verlauf der folgenden Auseinandersetzung genau diesen, vom Halbblutprinzen geschaffenen Zauberspruch auf ihn losgelassen, ohne überhaupt zu wissen, was dieser bewirkte. Damals war durch einen glücklichen Zufall — wie Harry heute zuzugeben bereit war — Professor Snape dazugekommen und hatte, nachdem er Dracos entsetzliche Schnittwunden mit dem ebenfalls von ihm selbst entwickelten Gegenzauber geheilt hatte, Diptam verordnet. >Diptam! Gibt es hier irgendwo Diptam?<, fragte sich Harry fieberhaft. Dann erinnerte er sich an das Labor im Keller und stürzte los. Ein äußerst irritierter Blick von Madame Pomfrey folgte ihm, während Severus’ Augen sich keinen Augenblick von Hermiones wie leblos ausgestreckt daliegendem Körper lösten.
 
Inzwischen hatten sich — bis auf Kingsley Shacklebolt, der noch immer drohend mit gezogenem Zauberstab und fassungsloser Miene über Percy stand — auch die anderen näher herangeschoben und standen nun um die immer noch in tiefer Bewusstlosigkeit auf dem Fußboden liegende Hermione herum. Professor McGonagalls Hände zitterten wie Espenlaub, ihr Gesicht war kreidebleich und sie hielt sich wie haltsuchend an Hestia Jones fest. Molly Weasley klammerte sich immer noch haltlos weinend an ihren Mann, und schluchzte bei dem sich ihr bietenden Anblick noch lauter, während Ginny mit angezogenen Beinen ganz allein auf dem Boden hockte und ihren Tränen freien Lauf ließ. Auf allen Gesichtern spiegelte sich unglaubliches Entsetzen wider und die Angst um das Leben ihrer Schülerin, Freundin und Mitkämpferin schnürte ihnen die Kehle zu. Jedem von ihnen wurde erst jetzt mit erschreckender Klarheit bewusst, dass der Zauberspruch zwar nicht sein ursprüngliches Ziel getroffen, jedoch trotzdem ebenso entsetzliche Dinge verursacht hatte.
 
Ron wollte vorsichtig zu Hermione hinüberrutschen, als sein Bruder ihn mit festem Griff packte und ihn nachdrücklich daran hinderte. Er wollte protestieren, doch Bill Weasley wies mit einem leichten Kopfnicken auf die Szene, die sich vor ihren Augen abspielte. Severus Snape hatte Hermiones Oberkörper behutsam hochgenommen, bettete ihren Kopf vorsichtig in seine Armbeuge und strich ihr nun wie unter einem Zwang eine vorwitzige Locke aus der Stirn. Dann legte er sanft seine Handfläche an ihre Wange und streichelte diese unglaublich zärtlich mit seinem Daumen. Das Bild, das sich den Augen der Umstehenden bot, bedurfte keiner weiteren Erklärung.
 
Rons lautes Aufkeuchen ging in dem Gepolter unter, als in diesem Moment Harry wieder durch die Tür gestürzt kam. »Hier, Diptam!« Er hielt Severus eine Flasche hin, in der sich eine ölige Flüssigkeit befand, offensichtlich die aus den ätherischen Ölen der Pflanze gewonnene magische Essenz.
 
Es war, als ob Severus aus einer mentalen Starre erwachen würde, in die er gefallen war. Erst jetzt wurde er sich bewusst, welches Bild sie beide abgeben mussten, wie verräterisch ausgerechnet er sich gerade verhielt. Severus versuchte augenblicklich, den Eindruck zu erwecken, als ob es absolut nichts Ungewöhnliches wäre, eine seiner ehemaligen Schülerinnen in den Armen zu halten. Er blickte auf und sah in grüne Augen — die grünen Augen von Harry Potter. Es dauerte einen Moment, ehe er begriff, was Harry ihm da vor seine übergroße Nase hielt. >Oh Merlin, Diptam!<, dachte er.»Danke, Mister Potter«, bekundete er nach außen hin ruhig.
 
Wie hatte er nur vergessen können, irgendjemanden in diesem Raum um Diptam zu bitten. Er hatte den für einen Meister der Zaubertränke schwerwiegenden Fehler begangen, da seine Gedanken zu sehr anderweitig fixiert gewesen waren, zu abgelenkt von seiner eigenen Angst um die junge Frau, die er in seinen Armen gehalten, um deren Leben er gekämpft hatte. Ja, er hatte panische Angst um ihr Leben. Er hätte wissen müssen, dass Diptam hier verfügbar war, denn er war selbst im Labor unten im Keller gewesen, hatte höchstpersönlich die hervorragende Ausstattung, die noch nicht allzu alt sein konnte, in Augenschein genommen.
 
Dass Harry Potter in dieser Situation an Diptam gedacht hatte, versetzte ihn ganz besonders in Erstaunen, zeigte es doch, dass dieser in seiner Zeit in Hogwarts entgegen Severus’ früherer Vermutung doch etwas gelernt hatte. Bei ihm mussten sich im Klo der Maulenden Myrthe die unerwartet schlimmen Auswirkungen dieses Fluches tief in sein Gedächtnis eingebrannt haben. Severus empfand einmal mehr Achtung vor Harry, der offensichtlich in Krisensituationen inzwischen nicht mehr den Kopf verlor.
 
Er hatte zwischenzeitlich damit begonnen, die Diptamessenz tropfenweise auf Hermiones glühend rote Narben zu verteilen und die Flüssigkeit mit einem Finger ganz vorsichtig in die verletzte Haut einzureiben. Nur langsam wurde an den bereits damit behandelten Stellen ein Erfolg sichtbar, als die scharlachroten Wunden allmählich verblassten und sich mit einer neuen, nur leicht rötlichen Hautschicht überzogen. Er arbeitete mit seiner gewohnten Sorgfalt weiter, bis er alle durch den Fluch verursachten Verletzungen versorgt hatte und selbst mit dem Ergebnis zufrieden war. Wenn alles so lief, wie er hoffte, würden keine sichtbaren Narben zurückbleiben — zumindest nicht auf ihrer Haut. Wie es mit ihrer Seele stand, daran wagte er nicht zu denken.
 
Als er die Bluse vorsichtig wieder über Hermiones halbnackten Körper zog und die Augen hob, blickte er direkt in das wissende Gesicht von Poppy. Trotz der bedrückenden Situation lächelte die Medihexe kaum sichtbar und nur Severus, der sich nah genug befand, konnte das seltsame — und wie es ihm erschien — glückliche Strahlen in ihren Augen erkennen.
 
»Das war ganz hervorragende Arbeit, Severus. An dir ist ein Heiler verloren gegangen«, sagte sie kaum hörbar, wohl auch, um diesen merkwürdigen Ausdruck in ihrem Gesicht zu kaschieren. »Komm, ich bringe sie ins Wohnzimmer und lege sie dort auf die Couch.« Sie wollte ihren Zauberstab auf Hermione richten, um sie mit einem Levicorpus-Zauber zu transportieren, aber Severus schüttelte nur den Kopf.
 
»Lass, ich nehme sie!«, widersprach er ungewohnt scharf, hob Hermione ohne Magie auf seine Arme und verließ mit ihr die Küche. Ihm folgte eine sehr nachdenklich wirkende Poppy Pomfrey auf dem Fuß. Er ließ eine große Anzahl reichlich irritierter Hexen und Zauberer zurück, die kaum fassen konnten, was sie in den letzten Minuten erlebt hatten.
 
Kaum im Wohnzimmer angekommen, bat Severus Poppy, die Couch, die für die jetzt erforderlichen Zwecke nicht sehr vertrauenerweckend aussah, in ein bequemes Bett zu verwandeln und legte danach die immer noch bewusstlose Hermione vorsichtig ab. Mit einem kurzen Wink seines Zauberstabes verwandelte er eines der überzähligen Kissen in eine Bettdecke, die er vorsichtig über ihren Körper zog. Sie atmete nun ruhig und gleichmäßig, obwohl sie immer noch bewusstlos war. Er zog einen der Sessel näher heran und setzte sich zu ihr. Jetzt begann die schlimmste Phase für ihn: Er konnte nur noch warten.
 
Bis zu diesem Moment hatte ihn die Situation beschäftigt gehalten, war ihm keine Zeit zum Nachdenken geblieben. Sein Adrenalinspiegel war immer noch hoch, viel zu hoch, wenn es nach ihm ging. Jetzt erst merkte er, wie angespannt er wirklich war. Sein Blick fiel nun jedoch auf das Stück der goldenen Kette, das um ihren Hals sichtbar war und deren Ende — wie er wusste — mit dem ungewöhnlichen Anhängsel in ihrem Ausschnitt verschwand. Jetzt erst gestattete er sich, seine Gedanken in die Vergangenheit wandern zu lassen.
 
Severus hätte nie geglaubt, den Ring jemals wiederzusehen. Bis heute hatte er nicht herausfinden können, zu welchem Zeitpunkt oder an welchem Ort in Hogwarts er ihn verloren hatte. Er hatte seit damals immer danach gesucht, ohne Erfolg, hatte buchstäblich jeden Stein umgedreht — und das nicht nur einmal. Eigentlich hatte er die Suche nie wirklich aufgegeben, auch nach all diesen Jahren nicht.
 
Nach Monaten, in denen er erfolglos gesucht hatte, war er eines Tages entmutigt davon ausgegangen, dass irgendjemand den Ring gefunden haben musste und ihn einfach behalten hatte, obwohl dies eigentlich so gut wie unmöglich sein sollte. Doch es gab keine andere Erklärung dafür. Sein einziges Erbstück war und blieb wie vom Erdboden verschluckt. Manchmal, wenn ihn eine seiner dunkelsten Stimmungen überkam, hatte er sogar geglaubt, dass der Ring ihn mit Absicht verlassen hatte, als wenn er verhindern wollte, dass er, Severus, ihn an Lily als seine Seelenverwandte geben konnte. Es war unfassbar und unerklärlich, dass ausgerechnet Hermione Granger seinen Ring gefunden haben sollte. Und doch war ausgerechnet dieser unwahrscheinlichste Fall aller Fälle eingetreten.
 
Hermione … ausgerechnet Hermione … Er sah auf die junge Frau, die immer noch bewusstlos vor ihm auf dem improvisierten Bett lag. Ihr Brustkorb hob und senkte sich leicht, doch er konnte überdeutlich erkennen, welch entsetzlichen Kampf ihr Körper mit jedem ihrer Atemzüge gegen ihre gravierenden Verletzungen führte — trotz aller heilenden Magie.
 
>Verletzungen, die eigentlich aufgrund ihrer Schwere hätten tödlich sein müssen …< Severus wollte diese Vorstellung gar nicht zu Ende denken. Doch dann schob sich ein anderer Gedanken in den Vordergrund. >Es sei denn …            der Ring …<
 
Nur eines war Severus klar — sie musste ihn während ihrer Schulzeit irgendwo in Hogwarts gefunden haben. Wie dies möglich gewesen sein sollte, war ihm allerdings ein Rätsel, da der Ring sich nur Familienangehörigen oder Menschen zu Erkennen geben würde, die sich ihnen zugehörig fühlten. Er würde fremden Augen gegenüber unsichtbar bleiben. Allerdings konnte er sich nicht daran erinnern, die Kette jemals um ihren Hals gesehen zu haben. Nun, er hatte auch nicht wirklich darauf geachtet. Sie war damals schließlich nur die nervige Miss-know-it-all und Potters beste Freundin für ihn gewesen.
 
Er konnte sich nicht erklären, warum sie den Ring behalten und ihn nicht bei Minerva als ihrer Hauslehrerin oder irgendeinem anderen Professor abgegeben hatte. Das Haus Gryffindor und seine Bewohner waren nicht nur für ihren sprichwörtlichen Mut berüchtigt, sondern ebenso für ihre erschreckende Ehrlichkeit. Er konnte nur vermuten, dass irgendetwas sie daran gehindert haben musste — vielleicht sogar der Ring selbst.
 
Dessen ungeachtet musste er davon ausgehen, dass sie keine Vorstellung davon hatte, wem dieser Ring gehörte oder was er in den richtigen Händen bewirken konnte. Anderseits musste sie herausgefunden haben, dass er seine magischen Kräfte am Besten entfaltete, wenn er direkt die nackte Haut berührte, da sie ihn an seiner ursprünglichen Kette um den Hals trug. Trotzdem schien sie sich nicht dazu hatte überwinden können, ihn offen am Finger zu tragen. Wahrscheinlich ahnte sie nicht einmal, dass er für Andere unsichtbar sein würde.
 
Und genau dieser Ring musste sie im Moment des Angriffs regelrecht verteidigt und all seine magischen Kräfte in die Waagschale geworfen haben, um sie am Leben zu halten. Ohne ihn wäre vermutlich jegliche Hilfe — wie schnell diese auch immer erfolgt sein mochte — zu spät gekommen. Severus wusste, dass der Ring seinen Träger vor Schaden bewahrte, in gefährlichen Situationen Schutz, Sicherheit und Beistand bot. Trotzdem war und blieb es für ihn unverständlich, warum sein Erbstück Hermione als zur Familie zugehörig oder als ihm auf irgendeine Art und Weise verbunden betrachtete. Der Coniunctio perpetua konnte nicht die Erklärung dafür sein.
 
Er strich sich durch seine inzwischen reichlich strähnigen Haare, beugte sich vor und stütze seinen Kopf ratlos und nach einem weiteren Blick auf Hermione niedergeschlagen auf seine Hände. Deshalb bemerkte er nicht, wie Poppy sich näherte und ihre nächste Bemerkung traf ihn daher völlig unvorbereitet.
 
»Du magst sie!«, stellte Poppy leise das Offensichtliche fest.
 
Jahrelange Übung ließ ihn in Sekundenbruchteilen reagieren. Der mörderische Blick, der sie daraufhin traf, hätte jeden Erstklässler mit Leichtigkeit angstvoll mit den Zähnen klappern lassen, prallte jedoch an Poppy vollkommen wirkungslos ab.
 
Leise trappelnde Schritte näherten sich und enthoben Severus einer Antwort. Kreacher erschien mit einer Schüssel und einem kleinen Handtuch über dem Arm und stellte beides auf dem Couchtisch ab. Sein faltiges Gesicht schien vor Sorge noch faltiger geworden zu sein und seine großen Ohren hingen traurig herab. Er blickte bekümmert auf die stille Gestalt, die auf dem Bett lag. »Sie haben die Vorratskammer in eine kleine Arrestzelle verwandelt und ihn vorerst dort eingesperrt.«
 
Severus musste nicht fragen, wen Kreacher meinte. In der Stimme des alten Hauselfen schwang so viel Hass, dass er kaum glauben konnte, dass dies derselbe Elf war, der ihnen noch vor ein paar Stunden ein verschmitztes Lächeln zugeworfen hatte, als er sie freundlich, aber unmissverständlich aus der Küche bugsiert hatte.
 
»Sie wird wieder gesund, Kreacher«, sprach er seinen eigenen Wunsch laut aus. Er nahm das gefaltete Handtuch, befeuchtete es in der Schüssel mit lauwarmem Wasser und wischte Hermione damit den leichten Schweißfilm ab, der sich auf ihrer Stirn und den Wangen gebildet hatte. Ohne seine Augen von ihrem Gesicht abzuwenden, legte er vorsichtig seine Hand auf ihre, die auf der Bettdecke lag, und umschloss sie sanft.
 
Kreachers Augen leuchteten einen kurzen Moment auf, bevor er sich umwandte und zur Tür ging. Dort drehte er sich noch einmal herum und nahm den sich ihm bietenden Anblick tief in sich auf. »Danke, Schulleiter Snape. Das wird Kreacher Ihnen niemals vergessen«, flüsterte er bewegt.
 
Über eine Stunde war vergangen und Hermione hatte sich nur zweimal kurz gerührt, war aber ansonsten immer noch in ihrer tiefen Bewusstlosigkeit gefangen. Severus saß noch immer reglos wie eine Statue an ihrer Seite, nur unterbrochen davon, wenn er ihr gelegentlich mit dem feuchten Tuch wieder den Schweiß abwischte, als die Tür sich erneut öffnete und Minerva McGonagall erschien.
 
»Wie geht es ihr?«, fragte sie angespannt. Sie trat an das Bett heran und blickte auf das nicht mehr ganz so bleiche Gesicht ihrer ehemaligen Schülerin.
 
»Wie du unschwer erkennen solltest, ist sie immer noch bewusstlos«, knurrte er.
 
Minerva kannte ihn lange genug, um hinter der Fassade aus Sarkasmus und brummigem Knurren die darin tief verborgene Hilflosigkeit aus seiner Stimme herauszuhören. Sie hätte nie geglaubt, dass sie Severus eines Tages am Krankenlager einer Gryffindor wiederfinden würde — nicht nach Lily Evans. So sehr sie das Mädchen auch gemocht hatte — und ja, sie war immer ihr Liebling gewesen, noch weitaus mehr als Hermione es jemals sein würde — sie hatte die Geschehnisse damals nur zum Teil nachvollziehen können. Wäre Severus einer ihrer Gryffindors gewesen, Minerva wäre aufgrund von Lilys Verhalten fuchsteufelswild geworden. Aber so …? Einen Slytherin so zu behandeln, noch dazu einen, der hinter Dunkler Magie her war wie die berüchtigten Albino-Bluthunde des Ministeriums hinter Nogtails — das war etwas anderes. Jetzt jedoch fragte sie sich, ob sie nicht schon damals einen großen Fehler begangen hatte. Sie seufzte innerlich schwer.
 
»Ich wollte dich holen, Severus. Kingsley möchte dir gern selbst sagen, wie das Ministerium entschieden hat«, erklärte Minerva, immer noch unter dem Eindruck ihrer Gedanken an die Vergangenheit und dem, was sie in den letzten Minuten erlebt und gesehen hatte.
 
Severus sah nicht einmal auf. »Nein, Minerva. Das könnt ihr auch ohne mich klären. Mein Platz ist hier.« Er klang ruhig und gefasst, so, als ob es sich um das Schicksal eines Anderen und nicht um sein eigenes handeln würde.
 
»Severus!«, bat Minerva, doch er schüttelte nur den Kopf.
 
»Es ist in Ordnung, Minerva. Du kannst es mir später erzählen. Es ist mir gleichgültig, welche Entscheidung das Ministerium getroffen hat, was aus mir wird — es macht keinen Unterschied. Ich bleibe hier«, beharrte er starrköpfig.
 
»Sei kein Narr, Severus! Du hast ihr das Leben gerettet und sie wird wieder gesund werden. Und hier geht es um deine Zukunft!«, versuchte sie, ihn zur Vernunft zu bringen.
 
Und dann mischte sich auch Poppy energisch ein. »Nein, mein Junge, du gehst! Mir jedenfalls ist es nicht egal, was aus dir wird! Ich bleibe bei ihr und rufe dich, wenn sie aufwacht.«
 
Severus funkelte sie einen kurzen Moment gefährlich an, was sie jedoch völlig ignorierte, zuckte jedoch dann betont gleichgültig mit den Schultern, als er begriff, dass er keine Wahl hatte, außer sich Poppys Wünschen zu beugen. Auch wenn er es nicht zugeben würde, hatte die Matrone von Hogwarts schon seit seiner Kindheit den größten Einfluss auf ihn. Er hatte sich so manches Mal in den letzten zwanzig Jahren gefragt, wie sein Leben verlaufen wäre, wenn er sich damals, bevor er das Dunkle Mal annahm, Poppy anvertraut hätte. Langsam stand er auf und ging widerwillig vor sich hingrummelnd zur Tür.
 
Als er unbemerkt von den anderen die Küche betrat, hörte er das immer noch anhaltende leise Schluchzen von Molly Weasley. Severus konnte die enorme Anspannung, die sich bereits lange vor Percy Weasleys unerwartetem Angriff in der Küche aufgebaut hatte und die bisher noch nicht wieder abgeflaut war, beinahe mit Händen greifen. Wie schon so oft in seinem Leben hatte Severus, bevor er die Küche betreten hatte, seine undurchdringbare Maske aus Gefühllosigkeit und Zynismus aufgesetzt, auch wenn es dahinter wie in einem Vulkan brodelte.
 
Er hörte noch, wie Ginny Weasley an niemanden im Speziellen gerichtet leise sagte: »Jeder von uns hat ihn schon immer für einen absoluten … Karrieristen gehalten, schon in Hogwarts. Allerdings dachten wir auch, dass er dem Ministerium treu ergeben ist, zu treu.« Sie seufzte schwer.
 
»Trotzdem — Harry hat vorhin etwas gesagt, das ich mir nicht eingestehen und schon gar nicht laut ausgesprochen hören wollte. Seine langen Ärmel, auch im Sommer, und sein Verhalten der Familie gegenüber — ich gebe zu — das alles hat mich immer wieder zweifeln lassen. Aber ich … ich … wollte es … nicht wahrhaben. Ich hätte nie geglaubt, dass er all das, wofür unsere Eltern stehen, was sie uns Kindern vermittelt haben, nicht nur ignorieren, sondern sich von unser aller Überzeugungen abwenden und mit dem Feind zusammenarbeiten würde. Keiner hätte geglaubt, dass … dass er … zu V-Vo-Voldemort überlaufen würde.« Die letzten Worte konnte sie nur noch flüstern.
 
Stumme Tränen liefen ihre Wangen hinunter und es machte den Eindruck, als würde sie dies nicht einmal bemerken, denn sie wischte sie nicht ab. Harry legte den Arm um ihre Schulter und zog sie an sich. Das war es, was vermutlich den letzten Ausschlag gab, dass sie ihre bisher so mühsam aufrechterhaltene Fassung verlor, denn sie schlang die Arme um ihn und begann haltlos zu schluchzen.
 
»Niemand von uns hat das geglaubt, Miss Weasley«, sagte Minerva McGonagall, die gleich hinter Severus leise hereingekommen war. Abrupt wandte sich alle Aufmerksamkeit ihr zu.
 
Harry entdeckte Severus Snape und wollte aufspringen, erinnerte sich jedoch gerade noch rechtzeitig an Ginny in seinen Armen. Deshalb drehte er nur den Kopf und fragte ihn atemlos: »Wie geht es Hermione, Professor?«
 
»Sie ist bis jetzt noch nicht aufgewacht«, antwortete Severus zögernd. Harrys sorgenvolles und nun enttäuschtes Gesicht machte es für ihn nicht leichter, diese wenig aussagekräftige Erklärung auszusprechen. Der junge Mann sackte vor Severus’ Augen wieder merklich in sich zusammen. Er wusste nicht genau, was ihn in diesem Moment dazu trieb — oder vielleicht doch, wenn er genauer darüber nachdachte — er legte Harry kurz die Hand auf die Schulter und drückte sie. Es war eine spontane Geste, geboren aus dem Umstand heraus, dass sich Harry ebenso um Hermione sorgte wie er selbst. Dass es sich dabei ausgerechnet um James Potters Sohn handelte, war eine Tatsache, die unter anderen Umständen und nur ganz tief in seinem Inneren zu einem süffisanten Lächeln geführt hätte.
 
Kingsley Shacklebolt hatte sich erhoben und kam um den Tisch herum. »Severus!« Der riesige schwarze Mann mit dem einzelnen goldenen Ohrring streckte leicht zögernd die Hand aus, als sei er sich absolut nicht sicher, ob sein Gegenüber sie ergreifen würde. »Ich weiß, es ist an mir, mich zu entschuldigen. Mir ist nur allzu bewusst, dass Worte nicht wiedergutmachen können, was ich dir in all den Jahren an Vertrauen und Respekt versagt habe. Trotzdem kann ich nur sagen — Es tut mir leid, Severus.«
 
Der Meister der Zaubertränke sah in das Gesicht des Mannes, der in den letzten Jahren im Orden seine Nemesis gewesen war, der Mann, der trotz Albus’ Mahnungen bereits sein verdammendes Urteil über Severus gefällt hatte, noch bevor er ihm selbst erstmals begegnet war, der alles und jedes in Frage zu stellen schien, was der Spion Severus Snape dem Orden zutrug. So sehr Kingsley Shacklebolt seine Position im Ministerium dafür genutzt hatte, um die Suche der Auroren nach Sirius Black zu sabotieren, so wenig hatte er Severus über den Weg getraut und — wie wahrscheinlich nicht nur er vermutete — sich bisher für ihn eingesetzt.
 
Severus brauchte keine Legilimentik anzuwenden, um zu erkennen, dass Shacklebolts Entschuldigung in diesem Moment ehrlich gemeint war und aus vollem Herzen kam. Der schuldbewusste und recht beschämte Ausdruck auf seinem Gesicht war nicht zu übersehen. Sehr zu Kingsleys Überraschung nahm er dessen dargebotene Hand. »Es waren dunkle Jahre, Kingsley, für jeden von uns.«
 
Der Amtierende Zaubereiminister nickte nachdenklich. »Zumindest bin ich mir nun absolut sicher, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe.« Und doch ließ irgendetwas in Kingsleys Augen den Spion in Severus misstrauisch werden.
 
Hatte Severus noch vorhin störrisch behauptet, dass es keinen Unterschied machen würde, wie das Ministerium über seinen Fall entscheiden würde, dass es ihm gleichgültig wäre, so musste er sich nun eingestehen, dass er sich selbst belogen hatte. Hermione hatte ihn durch ihre Entscheidung in der Heulenden Hütte zu leben gezwungen, und ihm damit keine andere Wahl gelassen, als sich mit den neuen Bedingungen auseinanderzusetzen, einerlei, wie diese auch aussahen. Er hatte nicht das Recht, sich wie ein kleiner schmollender Junge in eine Ecke zu verkriechen. Ihr Entschluss, ihn zu retten — wie spontan er auch gewesen sein mochte — verpflichtete ihn nun geradezu, selbst etwas zu unternehmen, um sich eine wirkliche Zukunft aufzubauen. Wenn er eine Zukunft als freier Mann haben wollte — und das wollte er fraglos — dann musste er nun endlich beginnen, für sich und diese Zukunft zu kämpfen, wenn auch auf seine Art. Merlin, er war kein Feigling.
 
Ein mörderisches spöttisches Lächeln wurde in Severus’ Gesicht sichtbar. »Du glaubst ernsthaft, heute Abend genügend Beweise dafür gesammelt zu haben, um zweifelsfrei darauf schließen zu können, dass ich doch nicht der gefährliche Ex-Todesser bin, dessen Bestreben einzig und allein darauf ausgerichtet ist, sich auf diese Weise erneut seiner gerechten Strafe zu entziehen und eine Verurteilung zu lebenslanger Haft in Azkaban abzuwenden? Und das alles nur von dem ausgehend, dessen Zeuge du heute Abend zufälligerweise geworden bist?«
 
Doch Kingsley Shacklebolt schien weder von Severus’ zynischem Verhalten noch von seinen höhnischen Worten sonderlich beeindruckt zu sein. »Es stellt sich die Frage, auf welches der Ereignisse du dabei anspielst. Wenn du meinst, dass die schrecklichen Geschehnisse um Miss Granger und deine von den meisten von uns nicht erwartete Reaktion darauf mich überzeugt haben, muss ich dich leider enttäuschen.«
 
Severus persönlich hatte vermutet, dass sein für ihn so untypisches Verhalten in genau dieser Situation Kingsley bewogen hatte, seine Auffassungen zu überprüfen. Doch sehr zu Severus’ Verwunderung schien der Amtierende Zaubereiminister vollkommen anders darüber zu denken, wie seine nächsten Worte eindeutig bewiesen.
 
»Das war nur noch das Tüpfelchen auf dem ‘i’«, sagte ein sehr nachdenklicher, regelrecht abwesend wirkender Zaubereiminister. »Den ersten gedanklichen Anstoß, dass ich mich vielleicht doch über all die Jahre im Unrecht befunden habe, bekam ich, als ich auf Albus’ Bitte hin Mister Potter und Miss Granger am Tag nach der Letzten Schlacht im Büro des Schulleiters traf.«
 
Severus zeigte keine Reaktion, obwohl er von dieser Information vollkommen überrascht wurde. Er hatte nicht gewusst, dass die beiden auch mit dem Amtierenden Zaubereiminister Kontakt aufgenommen hatten. Hermione hatte dies auch während ihrer abendlichen Gespräche mit keinem Wort erwähnt.
 
Kingsley erzählte nun jedoch weiter. Seine Stirn war gefurcht und er schien immer noch sehr nachdenklich. »Ich war Hermione Granger schon früher hier in diesem Haus vor oder nach den Zusammenkünften des Ordens begegnet, hatte sie gesehen, muss ich wohl besser sagen, hatte jedoch niemals zuvor mit ihr gesprochen. Sie war nur ein Kind, ein Anhängsel, das zu Harry Potter gehörte. Natürlich hatten alle immer wieder betont, dass sie als eine der mächtigsten Hexen dieses Jahrhunderts gilt, aber geglaubt … nein, geglaubt habe ich das nicht wirklich. Doch ich werde niemals Albus’ Bemerkung an diesem Tag über sie vergessen, die in meinen Ohren schon eher wie eine Drohung klang.«
 
Severus konnte seine Frage nicht mehr zurückhalten. »Was um Merlins Willen hat er gesagt?«
 
Kingsley Shacklebolt sah auf. »Das kann ich sogar wortwörtlich wiederholen: >Jeder, der versuchen sollte, sich Hermione Granger entgegenzustellen, wird eine der mächtigsten Hexen dieses Jahrhunderts zur erbitterten Gegnerin bekommen, Kingsley. Es wird kein ungefährliches Unterfangen sein, sich Miss Granger in den Weg zu stellen.< Jedes Wort davon muss absolut ernst gemeint gewesen sein, denn es gab in Albus’ Stimme weder sein übliches leises Lachen noch irgendeinen amüsierten Unterton.« Er erschauerte noch jetzt in der Erinnerung daran.
 
Severus schluckte hart. Wenn Albus Dumbledore sich dazu hinreißen ließ, eine derartige Bemerkung zu machen, die zweifellos in Severus’ Augen einer eindeutigen Drohung gleichkam, dann musste es zuvor zu einer überaus heftigen Auseinandersetzung gekommen sein. Eine Auseinandersetzung um seine Person. Und Hermione musste bereits zu diesem Zeitpunkt unmissverständlich und erbittert für ihn Partei ergriffen haben. Es war für ihn immer noch unfassbar.
 
Doch Kingsley war noch nicht fertig. »Was mich im ersten Moment, als ich ihn in der Hand hielt, kurzzeitig zur Raserei trieb und erst danach ernsthaft zum Nachdenken brachte, waren Mister Potters nachdrückliche Bekundungen im Klitterer. Es war für mich nur schwer nachvollziehbar, wie ausgerechnet der Junge-der-lebt dermaßen vehement für einen Mann Partei ergreifen konnte, der — nach Aussage vieler seiner Freunde — ihm das Leben in Hogwarts zur Hölle gemacht hatte. — Ja, Severus, selbst ich habe davon gehört«, setzte er leicht schmunzelnd hinzu, als Severus zu einer Erwiderung ansetzte.
 
»Bis zu diesem Moment dachte ich, dass diese Bekundungen einer Art von fragwürdigem Verantwortungsgefühl entsprangen, vielleicht sogar falsch verstandener Loyalität, wenn du so willst, doch als ich den Klitterer zum zweiten Mal gelesen hatte, begriff ich, dass Harry Potter darin nicht nur seiner persönlichen Meinung eine Stimme verleiht, sondern die Tatsachen richtigstellen will. Mich zumindest hat er damit regelrecht wachgerüttelt.« Er hielt einen Augenblick inne, wie um abzuwägen, inwieweit er ihnen den Rest der Wahrheit erklären solle.
 
Kurz darauf sprach er jedoch weiter. »Letztendlich wirklich überzeugt haben mich allerdings erst seine heutigen Worte und sein auf den eskalierenden Streit folgender Ausbruch. Ich bin ehrlich gesagt heilfroh, dass die beiden nicht davor zurückgeschreckt sind, mir bei unserer letzten Begegnung hart zuzusetzen.«
 
»Das klang damals aber ganz anders«, murmelte Harry in seinen nicht vorhandenen Bart, was Ginny veranlasste, den Kopf zu heben und ihn erstaunt anzusehen und was ihm gleichzeitig einen betretenen Blick von Professor McGonagall einbrachte, was er jedoch beides nicht wirklich wahrnahm. »Ich werde es Hermione ausrichten«, setzte er freudlos hinzu.
 
Kingsley Shacklebolt wandte sich schuldbewusst Harry zu. »Ich kann mich auch dafür nur entschuldigen. Was ich damit andeuten wollte: Ich hielt zu diesem Zeitpunkt alles, was Miss Granger mir an den Kopf schleuderte, für pathetische Halbwahrheiten, für das Zurechtbiegen von Tatsachen.Trotz meiner damaligen starken Zweifel habe ich mich schon zu diesem Zeitpunkt hartnäckig für Severus eingesetzt.«
 
Irgendetwas an Shacklebolts Worten oder auch seinem Tonfall oder auch der Ausdruck in seinen Augen — Harry konnte nicht bestimmen, was davon es wirklich war — ließ nun wiederum Harrys anfängliches Misstrauen schlichtweg in Ungläubigkeit umschwenken. Er fühlte sich auf eine Art abgestoßen, die er nicht beschreiben konnte. Er warf ganz kurz einen Blick zu Professor Snape hinüber, doch in dessen Gesicht war nicht ablesbar, was er dachte. Und ganz langsam kroch unbändiger Zorn in ihm hoch. >Lügenhund!<, war alles, was er in diesem Moment denken konnte.
 
 »Hmpf!«, war jedoch der einzige Kommentar, den er laut abgab.
 
»Vielleicht kann ich Miss Granger und Sie dafür durch etwas anderes versöhnlicher stimmen.« Kingsley wandte sich nun wieder direkt an Severus.»Es wird zwar eine Verhandlung vor dem Zaubergamot geben — das konnte auch mein Einfluss als Amtierender Zaubereiminister nicht verhindern — aber man hat mir zugesagt, dass sie wie eine Anhörung gehandhabt wird. Der Hohe Rat der Zauberer erhofft sich davon eine vollständige Aufklärung der Geschehnisse seit der Rückkehr Voldemorts bis zu seiner Vernichtung.«
 
Severus Snape gelang es nur durch seine jahrelange Praxis als Spion, keine Regung zu zeigen. Doch in seinem Inneren tobte ein Orkan ungeahnten Ausmaßes. Eine Anhörung? Das war kaum besser als eine Verhandlung vor dem Zaubergamot. Der Hohe Rat war bei beiden Verfahrensarten verpflichtet, ein Urteil zu fällen, egal, wie dieses auch lauten würde. Das einzige wirkliche Zugeständnis bei einer Anhörung war die Tatsache, dass der Delinquent nicht in Ketten hereingeführt wurde und auch der mit Ketten versehene Stuhl im Normalfall nicht zum Einsatz kam. War es denn immer noch nicht vorbei? Nun, was hatte er anderes erwartet. Er drehte sich um und wollte gerade die Küche verlassen, als er aus dem Augenwinkel sah, wie Potter kreidebleich aufsprang.
 
»Und das nennen Sie etwas, das mich versöhnlicher stimmen soll?« Harry hatte Ginny abrupt losgelassen und war mit solcher Vehemenz aufgesprungen, dass sein Stuhl nach hinten umkippte. Der Ausdruck auf seinem Gesicht war mörderisch und er musste sich mit aller Macht beherrschen, nicht nach seinem Zauberstab zu greifen. »Indem Sie mich anlügen? Indem Sie mir weismachen wollen, dass Sie sich für ihn eingesetzt haben? Wenn das alles ist, was Sie angeblich erreichen konnten, dann wundert es mich nicht, dass das Ministerium nicht mächtiger ist und so leicht überrannt werden konnte. Und wenn Sie schon dabei sind, eigene Überlegungen anzustellen, dann sollten Sie auch vielleicht einmal ernsthaft darüber nachdenken, wie weit Ihre Machtbefugnisse im Ministerium gehen und wie weit Ihr Einfluss wirklich reicht«, fauchte er außer sich und mit immer mehr anwachsender Lautstärke.
 
»Harry!«
 
»Mister Potter!«
 
»Wie kannst du so reden!?«
 
»Was denken Sie sich dabei, den Amtierenden Zaubereiminister derartig anzugreifen!?«
 
»Bist du wahnsinnig!?«
 
Von allen Seiten hieben aufgebrachte und empörte Ausrufe auf Harry ein. Er blickte in Ginnys Augen. In diesem Moment spürte er, wie eine nie gekannte enorme Entschlossenheit ihn überkam, die sich ganz langsam auch in seinem Gesicht widerspiegelten. Und mit dieser Entschlossenheit stellte sich auch seine innere Ruhe wieder ein.
 
Doch er war noch nicht fertig mit Shacklebolt. Er holte nun mit leiser schneidender Stimme zum letzten Schlag aus. »Ich weiß nicht, inwieweit Hermione sich mir anschließen wird — wobei ich stark vermute, dass sie Sie jetzt bereits längst ins Übermorgen gehext hätte — für meine Person jedoch ist, insbesondere nachdem ich die heutige Versammlung miterleben musste, eine Mitgliedschaft im Orden des Phönix genauso ausgeschlossen wie eine Zusammenarbeit mit dem Ministerium.« Sein Blick war nun eiskalt und hart, so, wie nur die Wenigsten in diesem Raum ihn in der letzten Konfrontation mit Voldemort erlebt hatten, und es gab in diesem Moment niemanden hier, der daran zweifelte, dass diese Entscheidung unumstößlich war. Der Junge-der-Voldemort-zweimal-überlebt-hatte würde sich niemals wieder in seinem Leben von irgendjemandem oder irgendetwas manipulieren lassen.
 
Ginny stand auf und — wie schon ein paar Stunden zuvor bei ihrer Familie — trat sie neben Harry und umfasste fest seine Hand. Ihr Blick war genauso eiskalt wie Harrys, als sie an niemanden im Speziellen und doch an jeden Einzelnen in der Runde um den Küchentisch sagte: »Sie wollen Krieg? Gut, sie bekommen ihn! Komm, Harry, wir haben hier nichts mehr verloren.«
 
Beide gingen Hand in Hand in Richtung der Tür, als Harry sich an den Mann wandte, der noch immer an der Tür stand. »Professor Snape, es wäre uns eine Ehre, wenn Sie uns begleiten würden.«
 
 
 
Fortsetzung folgt …
 
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