AleaThoron
   
  FairyCat's Potions and Passions
  Kapitel 07 — Ein Minister verspricht seine Unterstützung
 
DISCLAIMER: Ich verdiene kein Geld damit, habe jedoch genau den unglaublichen Spaß, der nicht mit Geld aufzuwiegen ist. Alle agierenden Personen gehören JKR. Ich habe sie mir heimlich ausgeborgt, verspreche aber, gut auf sie aufzupassen und sie unbeschadet wieder zurückzugeben.
 
Beta: Deep Water — Mein ganz spezieller Dank gilt meinem Beta, der eigentlich mein Vater ist, und der es sich trotz seiner schweren Krankheit nicht nehmen ließ, mein erster Kritiker zu sein.
 
 
Coniunctio perpetua by Alea Thoron
 
 
 
Harry und Hermione waren an den Platz unter der Weide zurückgekehrt. Harry hatte nach Kreacher gerufen und ihn gebeten, Madame Pomfrey auszurichten, dass sie das Büro des Schulleiters verlassen hätten und Professor Dumbledore auf dem Weg zu Kingsley Shacklebolt wäre. Kreacher hatte, wie zu erwarten gewesen war, diese Order mit strahlendem Gesicht und unter vielen Verbeugungen empfangen.
 
Hermione hatte sich hingesetzt und mit dem Rücken gegen den Baumstamm gelehnt, während Harry direkt am Ufer stand und dem Spiel der kleinen Wellen zuschaute. Beide hingen schweigend ihren Gedanken nach.
 
Hermiones Wut war noch nicht verraucht. Sie dachte über das nach, was Professor Dumbledore eben zu ihnen gesagt hatte. Sie konnte keine Falschheit darin finden, und doch war sie nicht zufrieden. Tief in ihr brodelte es, die Verbitterung und der Zorn wollten kein Ende nehmen, obwohl Dumbledore alles getan hatte, um ihre Zweifel zu zerstreuen und sie zu beruhigen. Eigentlich hatte er all das gesagt, was sie hatte hören wollen, doch nichts davon hatte sie wirklich beruhigt oder ihr auch nur ein Gefühl von Sicherheit vermittelt.
 
Noch immer konnte sie sich nicht entscheiden, inwieweit sie ihm glauben konnte oder sollte. Er hatte ehrlich geklungen, und doch war da irgendetwas, was sie nicht benennen konnte, ein unausgesprochenes Gefühl, das sie nicht greifen konnte und das ihr Sorgen bereitete. Dumbledore hatte Professor Snape ‘Freund’ genannt … Doch seine Augen hatten eine andere Sprache gesprochen. Oder war sie einer optischen Täuschung aufgesessen? Konnte ein Portrait wirklich so gut gemalt sein, dass es verborgene Gefühle zum Ausdruck bringen konnte? Und wieso glaubte sie, dass ihre Zweifel berechtigt waren? Sie lehnte nun auch noch ihren Kopf gegen den Stamm der Weide.
 
Auch Harry ließ die letzte Stunde Revue passieren. Er hatte mit vielem gerechnet gehabt, allerdings nicht mit einem derartigen Ausbruch. Trotzdem Hermione ihn eindringlich vorgewarnt hatte, war er im ersten Moment über ihre Aufmüpfigkeit und Respektlosigkeit entsetzt gewesen. Erst nach und nach war ihm zu Bewusstsein gekommen, dass sie mit ihren Anschuldigungen sogar nur die Spitze des Eisbergs ankratzte. Sie hatte Recht. Vieles hätte anders ablaufen können, vieles wäre zu verhindern gewesen, wenn Dumbledore sich vorher anders verhalten hätte. Sie musste diese Gedanken schon lange mit sich herum getragen haben. Er sah zu seiner besten Freundin hinunter, die immer noch tief in Gedanken versunken zu sein schien. Ihre Frage traf ihn deshalb unvorbereitet.
 
»Was glaubst du, wie viel kann Professor Dumbledore bei Kingsley Shacklebolt erreichen?«
 
»Ich weiß es nicht, Hermione, wir müssen jedoch der möglichen Tatsache ins Auge sehen, dass es trotz all unserer Bemühungen verdammt übel ausgehen kann«, antwortete Harry. »Allerdings hoffe ich, dass es wenigstens keine öffentliche Verhandlung gegen ihn vor dem Zaubergamot gibt. Vielleicht kann Dumbledore wenigstens eine nichtöffentliche Vorverhandlung herausschlagen, eine Art Anhörung — so wie bei mir damals.«
 
»Aber Shacklebolt ist doch Mitglied des Ordens, gerade er muss doch wissen, was Professor Snape all die Jahre in seiner Position als Spion für den Orden riskiert und erreicht hat. Wenn er im Nachhinein die Informationen auswertet, die Severus Snape ihnen über all die Jahre gegeben hat — zumindest diejenigen, die er kennt …«, versuchte es Hermione erneut.
 
Harry drehte sich herum und sah sie niedergeschlagen an. »Ja, aber du weißt doch, wie schwer es ist, Vorurteilen zu begegnen. Nicht unbedingt bei Shacklebolt, aber … Erinnere dich, wie weit diese Vorurteile verbreitet sind — Muggelgeborene wie du — ihr wurdet in diesem einen Jahr unter Voldemort verfolgt, verschleppt, eingesperrt, getötet, nur, weil ihr muggelgeboren seid, weil ihr angeblich nicht in die magische Welt gehört und kein Recht auf einen Zauberstab hättet.
 
Was glaubst du, welche Grundstimmung in der öffentlichen Meinung über Professor Snape vorherrscht. Über viele Jahre hat er Hunderte von Schülern und Schülerinnen mit seinen Unterrichtsmethoden eingeschüchtert, hat sich ihnen gegenüber unbarmherzig und sicherlich auch grausam verhalten. Die haben nicht vergessen und auch nicht vergeben. Und ganz bestimmt wird es genügend Rachegedanken geben. Abgesehen davon, die öffentliche Meinung ist doch ganz klar — einmal Todesser, immer Todesser. Weißt du noch, wie eng es damals selbst bei mir zugegangen ist? Und das alles dank Dolores Umbridge«, gab er zu bedenken, wobei er diesen Namen voller Abscheu ausspie.
 
Hermione hatte Harrys Äußerungen zugehört und war mit jedem Wort immer niedergeschlagener und noch eine Schattierung blasser geworden. Er hatte ja Recht. Auch wenn sie es nur ungern zugab, die Chancen für Professor Snape standen nicht allzu gut. »Ich weiß, dass du Recht hast, Harry, aber … das ist einfach nur ungerecht.«
 
»Gerechtigkeit ist etwas, was man in dieser Gesellschaft nicht unbedingt erwarten darf«, antwortete Harry düster.
 
»Ich bin nicht bereit, mich damit abzufinden! Die wollen Kampf? Dann bekommen sie ihn!« Ihr Blick war hart und kalt, genau wie in Dumbledores Büro.
 
»Warte doch erst einmal ab. Vielleicht kommt es ja ganz anders, als wir glauben.« Selbst Harry glaubte nicht so recht an seine eigenen Worte, genauso wenig wie er das Gefühl hatte, dass Hermione ihm Glauben schenkte.
 
Erst im Laufe dieser Diskussion war sich Hermione der enormen Tragweite ihrer Entscheidung in der Heulenden Hütte völlig bewusst geworden. Sie hatte ohne das geringste Zögern über Severus Snapes Kopf hinweg die Entscheidung für sein Leben getroffen. Mit dieser Handlung hatte sie in dem Augenblick auch die Verantwortung für dieses Leben übernommen. Und noch etwas erkannte sie: Sie war es ihm schuldig, dafür zu sorgen, dass sein weiteres Leben als menschenwürdig bezeichnet werden konnte. Und das bedeutete zuallererst, ihn vor Azkaban zu bewahren und damit eine wirkliche Zukunft für ihn zu ermöglichen.
 
Ruckartig hob sie ihren Kopf. »Ich werde nicht einfach die Hände in den Schoß legen und abwarten, Harry. Das kann niemand von mir verlangen. Was hältst du davon, wenn wir beide jetzt sofort etwas unternehmen, um einen gewissen Vorsprung vor seinen potentiellen Verfolgern zu bekommen?«
 
»Was meinst du?«, fragte Harry irritiert.
 
»Nun ja, du hast vorhin Dolores Umbridge erwähnt. Das hat mich an den Gedanken erinnert, der mir vorhin im Krankenflügel schon gekommen war: Ich glaube, ich weiß, auf welche Art und Weise wir die öffentliche Meinung ein wenig in die richtige Richtung manipulieren könnten. Wie wäre es mit einem weiteren Exklusivinterview im Klitterer? Natürlich nur, wenn Xenophilius Lovegood zustimmt. Wobei ich glaube, dass das kein Problem darstellen sollte — nach all dem, was in seinem Haus geschehen ist.« Sie sah ihn gleichzeitig herausfordernd und erwartungsvoll an.
 
Harry schaute sie völlig verblüfft an. »Ich glaube es einfach nicht! Manchmal frage ich mich ernsthaft, ob dich der Sprechende Hut nicht in das falsche Haus gesteckt hat. Wo du nur immer deine Ideen hernimmst! Unglaublich!« Er schüttelte nur den Kopf.
 
Hermione lachte nicht darüber, obwohl es so schien, als ob sie sich zumindest geringfügig entkrampfte. »Also bist du damit einverstanden, Luna zu fragen?«
 
»Natürlich! Los, komm.« Er griff nach ihrer Hand, zog sie hoch und zerrte sie halb in Richtung Schloss. Je näher sie allerdings dem Schloss kamen, umso langsamer wurden sie.
 
Beide waren vorhin, als sie früher am Morgen aufgrund der dringenden Bitte von Madame Pomfrey diesen Weg entlang in den Krankenflügel gerannt waren, viel zu sehr in ihrer Angst um Professor Snape gefangen gewesen, als dass sie bewusst wahrgenommen hätten, was um sie herum geschah. Jetzt jedoch nahmen sie die Eindrücke aus ihrer Umgebung umso deutlicher in sich auf. Erstaunt blieben sie stehen.
 
Ihnen war bekannt, dass das Schloss gewisse Selbstheilungskräfte besaß, und es ebenfalls in der Lage war, nach den Wünschen der jeweiligen Schulleiter neue Räume zu erschaffen. Allerdings war das, was sie sahen, auch für sie beinahe unfassbar. Die Außenmauern waren fast in allen Bereichen wiederhergestellt und der Gryffindor-Turm ragte bereits wieder zu einem Drittel in den Himmel. Überall waren Hunderte erwachsene Zauberer und Hexen, aber auch ältere Schüler und Schülerinnen damit beschäftigt, die Verwüstungen und Zerstörungen zu beseitigen und Hogwarts wieder aufzubauen. Trotzdem würde es vermutlich noch Wochen dauern, bis dieses Schloss wieder zu dem würde, was es vor Voldemorts Angriff gewesen war.
 
Zögernd gingen sie weiter. Es dauerte nicht lange, bis sie Luna gefunden hatten, die zusammen mit Neville und Draco versuchte, das Eingangsportal mit Hilfe des Schwebezaubers wieder in seine Angeln zu heben, nachdem sie diese repariert hatten. Hermione und Harry zogen augenblicklich ihre Zauberstäbe und halfen, die schweren Doppeltüren in den dafür erforderlichen Winkel zu dirigieren. Mit lautem Krachen rasteten beide Flügel in ihren Angeln ein.
 
»Uff«, schnaufte Neville, während Draco ein vorsichtiges, aber unsicheres Lächeln aufsetzte und Luna sich einfach nur auf die Steinstufen fallen ließ. »Danke. Ihr kamt gerade zur rechten Zeit. Das war knapp.«
 
»Dafür sind wir doch inzwischen bekannt, Neville, oder?« Harry grinste breit.
 
Neville gab daraufhin Harry solch einen freundschaftlichen Schlag auf die Schulter, dass dieser in die Knie ging. »Angeber!«, feixte er, während er Hermione zur Begrüßung in die Arme zog und fest drückte.
 
Harry lachte nur, nachdem er sein Gleichgewicht wiedergefunden hatte.
 
»Du warst Klasse gestern, Neville. Ich bin so stolz auf dich«, nuschelte Hermione in Nevilles Umarmung. Sie freute sich ehrlich für ihn. Nicht gerade wenige ihrer Haus-Mitbewohner waren seit ihrem ersten Schuljahr der Meinung gewesen, dass Neville nicht nach Gryffindor gehörte. Nun hatte er allen das Gegenteil bewiesen, als er Gryffindors Schwert aus dem Hut gezogen hatte, um Nagini zu töten.
 
Harry blickte zu Draco Malfoy hinüber. Er zögerte einen Moment. »Draco«, grüßte er dann.
 
»Po— Harry«, kam eine leise Antwort.
 
Draco hatte dem Wortwechsel von Hermione und Neville mit Befremden gelauscht. Man konnte regelrecht zusehen, wie er innerlich seinen Kopf schüttelte. Der Reinblüter in ihm konnte nicht verstehen, wie Neville fähig war, sich über jegliche Standesgrenze so ohne weiteres hinwegzusetzen. Obwohl er all die Jahre mit ihnen in einem Klassenraum gesessen hatte, obwohl er immer wieder gesehen hatte, wie Hermione Neville bei vielen Zaubertränken geholfen hatte, war ihm diese Art von freundschaftlichem Geplänkel und ehrlicher Freundschaft zwischen einem Reinblüter und einer Muggelgeborenen völlig fremd. Für einen Slytherin schien dies einfach unvorstellbar zu sein.
 
Harry grinste immer noch. »Okay, Neville, ich verstehe. Eigentlich wollte ich dir Luna für eine Weile entführen, aber jetzt werde ich darüber besser noch einmal genauer nachdenken.« Er rieb sich demonstrativ seine schmerzende Schulter.
 
»Wage es!« Neville hob scherzhaft drohend seine Faust.
 
Nach ein paar Momenten des Schweigens, in denen Harry sich benahm, als würde er ernsthaft über ein Problem nachgrübeln, grinste er und erwiderte: »Doch, ich werde das Risiko eingehen.« Harry verstrubbelte seine ohnehin strubbeligen Haare noch mehr, als er mit der Hand spielerisch hindurchfuhr. »Kein Zweifel!« Nur durch Zufall fiel sein Blick auf den blonden Jungen, der während seiner Schulzeit sein Erzfeind gewesen war.
 
Draco stand immer noch völlig verloren auf den Stufen zum Eingangsportal, die Hand mit seinem Zauberstab selbstvergessen auf den Boden gerichtet, die grauen Augen mit einem Ausdruck voller Sehnsucht auf die Freunde gerichtet, die sich eine freundschaftliche Plänkelei lieferten. Einen Moment wünschte er sich wider besseren Wissens, dazu zu gehören, einmal eine solche Freundschaft erleben zu dürfen. Dann schüttelte er diesen Gedanken als eines Malfoys nicht würdig ab und sein Blick verdüsterte sich. Für ihn war dies alles noch lange nicht vorbei. Er hatte nicht die geringste Hoffnung, seine Rolle bei der Schlacht um Hogwarts verschleiern zu können. Seine Eltern waren vergangene Nacht noch in der Großen Halle festgenommen und nach Azkaban gebracht worden — und ihm drohte sicherlich bald dasselbe Schicksal. Er drehte sich ab.
 
Harry empfand ungewollt einen Augenblick Mitleid für ihn. Er war Zeuge dessen geworden, wie Draco hilflos hatte miterleben müssen, wie seine Eltern von Auroren verhaftet wurden. Draco stand zum ersten Mal in seinem Leben allein, ohne einflussreiche Familie im Rücken, ohne seine heuchlerischen Slytherin-Freunde. Doch im Moment waren andere Dinge wichtiger. Harry schaute zu Luna hinunter.
 
Das Mädchen mit den hüftlangen, schmutzigblonden Haaren starrte Harry in ihrer eigentümlich verträumten Weise an, stand dann auf und lächelte versonnen. »Gehen wir ein Stück«, sagte sie und ging in Richtung des Großen Sees, wo Harry und Hermione gerade erst hergekommen waren. »Was kann ich für euch tun?«, fragte sie leise. Sie hatte sich in ihrer Art kaum verändert. Nur wenn man darüber Bescheid wusste, und sehr genau hinsah, konnte man ihr die Monate im Kerker in Malfoy Manor ansehen.
 
»Wir brauchen noch einmal deine Hilfe, Luna«, erklärte Hermione vorsichtig, während sie sich ihr zuwandte. Sie schaute das andere Mädchen aufmerksam an, das aussah, als würde es in einer anderen Welt weilen. Hermione wusste allerdings, dass dieser Eindruck extrem täuschte. Luna war sich ihrer Umgebung sehr wohl bewusst und besaß einen messerscharfen Verstand.
 
»Meine Hilfe? Wobei?«, antwortete Luna, deren silbrig graue Augen nun leicht erstaunt blickten.
 
»Wäre dein Vater für den Klitterer an einem weiteren Exklusivinterview von Harry interessiert?«, fragte Hermione sie nervös. Zu viel hing davon ab, wie Luna auf diese Frage reagieren würde.
 
»Über eure Flucht? Sicherlich«, sagte Luna ohne eine Regung zu zeigen, während sie ihren neuen Zauberstab hinter ihr Ohr schob.
 
»Musst du nicht erst deinen Vater fragen?«, wunderte sich Harry.
 
Luna winkte ab. »Nein. Nach dem, was bei uns zu Hause passiert ist, würde er allem zustimmen, nur um seine Schuld wiedergutzumachen? Es tut ihm so furchtbar leid. Ich habe ihm gesagt, dass Ihr mein Leben gerettet habt. Er würde alles für euch tun.« Ein sanftes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht.
 
Harry überlegte nur kurz. »Nun, dann wären es zwei Interviews. Die Geschichte über unsere Flucht würde ich allerdings erst dann erzählen, wenn das erste Interview im Klitterer erschienen ist«, sagte Harry innerlich grinsend.
 
Hermione, die sich gerade sichtlich entspannte hatte, zuckte bei diesen Worten zusammen. Luna dagegen schaute Harry nur anerkennend an.
 
»Wie Slytherin. Du willst also zuerst eine Enthüllungsstory, oder? Über Voldemort?«, brachte es Luna auf den Punkt.
 
Harry entschied sich dafür, ihr sofort die Wahrheit zu sagen. »Nein, nicht Voldemort. Über einen wirklichen Helden dieses Krieges.«
 
»Wen?«
 
»Professor Snape.«
 
Luna schien nicht im Geringsten überrascht zu sein. Sie hatte gestern Nacht nur wenige Meter von Harry entfernt gestanden, als dieser Voldemort über Professor Snapes wahre Loyalität aufgeklärt hatte. Sie hatte dabei nicht einmal geblinzelt, als ob sie nichts anderes erwartet hatte.
 
Und auch Harrys Angaben zu dem Thema des Interviews schienen sie eben nicht allzu sehr überrascht zu haben. »Wenn ich dich interviewen darf?«, war ihre einzige Frage dazu.
 
»Ja. Du warst das letzte Mal sehr gut«, gab Harry unumwunden zu.
 
Ein weiteres, dieses Mal von Innen kommendes Lächeln, war Harrys Dank für seine Worte.
 
»Wann würde denn das Interview erscheinen?«, mischte sich Hermione ein.
 
»Morgen, in einer Extraausgabe«, versprach Luna sofort.
 
Hermiones Gesichtsausdruck konnte man nur als triumphierend bezeichnen.
 
Ein leises Plopp ertönte und die drei drehten sich erschrocken herum. Nur ein paar Schritte entfernt hatte Winky appariert. Zu Hermiones Erstaunen war die Kleidung der kleinen Hauselfe entgegen ihrer normalen Aufmachung sauber und sie schwankte nicht. »Professor McGonagall bittet Mister Potter und Miss Granger, in das Büro der Schulleiterin zu kommen«, sagte sie und verschwand, ohne auch nur eine Antwort abzuwarten.
 
Die beiden schauten einander an und zuckten mit den Schultern. Sie waren sich nicht sicher, ob dies etwas Gutes oder etwas Schlechtes zu bedeuten hatte. Wie schnell hatte Professor Dumbledore handeln können? Was hatte er erreicht? Angst begann Hermiones Rückgrat hinaufzukriechen.
 
Harry drehte sich zu Luna herum. »Könnten wir uns nach dem Mittagessen treffen, um das Interview zu machen, oder ist das zu spät, um es morgen noch erscheinen zu lassen?«
 
»Kein Problem, das ist in Ordnung«, antwortete Luna. »Geht nur.«
 
Hermione und Harry gingen nun erneut zum Schloss, durch das vorhin mit ihrer Hilfe reparierte Eingangsportal, die Treppen hinauf und die weitläufigen Korridore entlang bis in den siebenten Stock zu dem Wasserspeier, der den Eingang zum Büro der Schulleiterin verbarg. Erst hier stellten sie fest, dass sie vergessen hatten, Winky nach dem Passwort zu fragen. Doch der Wasserspeier schob sich in dem Moment zur Seite, wo sie genau davor standen und im Begriff waren, zu überlegen, wie sie an ihm ohne ein Passwort vorbeikommen sollten. Sie wurden also bereits erwartet.
 
Beide stiegen auf die erste Stufe der Wendeltreppe, die sich sofort in Bewegung setzte und sie langsam drehend nach oben trug. Dort angekommen, klopften sie und die Stimme von Professor McGonagall bat sie herein. Kingsley Shacklebolt und Minerva McGonagall saßen an einem ovalen Couchtisch am Fenster, der vor ein paar Stunden noch nicht hier gestanden hatte. »Danke, dass Sie gekommen sind«, sagte Professor McGonagall und lud die beiden mit einer Handbewegung ein, in den freien Sesseln Platz zu nehmen.
 
Sie leisteten der freundlichen Aufforderung folge und setzten sich. Auf dem Tisch standen, neben einer großen Kanne mit Tee, mehrere Platten mit kleinen Häppchen. Sowohl McGonagall als auch Shacklebolt hatten bereits volle Tassen vor sich stehen.
 
»Bedienen Sie sich?«, bat Professor McGonagall.
 
»Gern«, antwortete Hermione und schenkte Harry und sich selbst Tee ein. Er war so gut wie immer, wie sie nach dem ersten Schluck feststellte.
 
Der gerade erst berufene Amtierende Zaubereiminister, Kingsley Shacklebolt, der sich gemütlich zurückgelehnt hatte, sah noch genauso aus, wie Hermione ihn von ihrer letzten Begegnung in Erinnerung hatte. Er war groß, schwarz, bekleidet mit Jeans und einem dunkelblauen Hemd wie ein Muggel und das Licht der Kerzen spiegelte sich auf seiner Glatze. An seinem rechten Ohrläppchen baumelte sein Markenzeichen, eine breite goldene Kreole, und Hermione entdeckte verwundert auf seinem Ärmel Reste von Spinnweben. Als Harry und Hermione das Büro der Schulleiterin betreten hatten, hatten seine weißen Zähne aufgeblitzt, als er den Mund zu einem Lächeln verzog. Er beugte sich vor und räusperte sich.
 
»Mister Potter, Miss Granger, ich freue mich, Sie zu sehen. Die magische Welt ist Ihnen und Ihren Mitstreitern für die Eliminierung Voldemorts zutiefst zu Dank verpflichtet. Das Ministerium hat entschieden, dass die an der Vernichtung Voldemorts ausschlaggebend Beteiligten sowohl mit dem Merlin-Orden verschiedener Klassen ausgezeichnet als auch mit sofortiger Wirkung ins Ministerium berufen werden sollen, um dieses von Grund auf zu reformieren, egal, ob diese Personen einen Schulabschluss haben oder nicht. Ich hoffe, wir können bereits auf Sie beide zählen.«
 
Beide fühlten sich vollkommen überrollt. Während Harry noch überwältigt von der soeben gehörten Ansprache nach Luft schnappte, fragte sich Hermione unbehaglich, ob sie gerade einer Wahlkampfveranstaltung beiwohnte. Sie musste sich zurückhalten, um sich nicht nach verstecktem Publikum umzusehen. >Es gibt Dinge, die werden sich wahrscheinlich niemals ändern<, dachte sie freudlos. Nebenbei arbeitete ihr Verstand bereits auf Hochtouren. Fragen über Fragen schossen ihr durch den Kopf.
 
Wollte sie nach diesem furchtbaren Jahr noch einmal nach Hogwarts zurückkehren, um ihr siebentes Jahr zu beginnen und einen richtigen Schulabschluss zu machen? Wollte sie eine Karriere im Ministerium ohne Schulabschluss starten? Wollte sie überhaupt eine Karriere im Ministerium? Sicher, die Aufgabe war reizvoll, sie würde vermutlich viel bewegen können. Zumindest am Anfang! Und dann? Was würde in ein paar Jahren sein, wäre es dann immer noch reizvoll? Würde sie lieber eine Lehre oder ein Studium in Verwandlung, Arithmantik oder Zaubertränken beginnen? Es gab so viele Möglichkeiten, aber dazu brauchte sie ihre NEWTs. Sie nahm einen weiteren Schluck Tee, um ihre Nerven zu beruhigen.
 
Professor McGonagall hatte sich bis zu diesem Moment zurückgehalten und nur beobachtet. Sie konnte sehen, dass beide sich nicht geschmeichelt fühlten, wie Kingsley vorhin noch gehofft hatte. Sowohl Mister Potter als auch Miss Granger hatten zu oft schlechte Erfahrungen mit dem Zaubereiministerium gemacht, als dass sie sich jetzt zu einer überstürzten Reaktion hinreißen lassen würden. Und Minerva begriff in diesem Moment, dass sie eingreifen musste, bevor noch mehr Porzellan zerschlagen würde. Deshalb wandte sie sich mit einem genervten Kopfschütteln und ihrem üblichen strengen Gesichtsausdruck an Kingsley Shacklebolt. »Was hast du vor, Kingsley? Willst du die beiden komplett überrumpeln oder sie lieber gleich verschrecken? Lass ihnen wenigstens ein wenig Zeit, darüber nachzudenken.«
 
Hermione gab Professor McGonagall vollkommen Recht. Dies war nichts, was sie übers Knie brechen wollte, nichts, worüber sie innerhalb von ein paar Minuten eine Entscheidung treffen musste — damit stellte sie die Weichen für ihre Zukunft. »Lassen Sie uns in Ruhe darüber nachdenken und entscheiden. Das ist kein Angebot, das man zwischen Tür und Angel akzeptieren sollte«, antwortete sie dann bestimmt.
 
Kingsley nickte bedächtig. »Nun, das kann ich verstehen, allerdings würde es mich freuen, wenn Sie — gerade Sie beide, und natürlich auch Mister Weasley — mir eine Zusage geben würden. Und es geht mir dabei nicht um Sie als eine Art Aushängeschild, ganz gewiss nicht. Ich denke, dass Sie neue Ideen und die richtige Einstellung mitbringen, den Willen zu Veränderungen und die Durchsetzungsfähigkeit haben.«
 
»Kingsley!«, mahnte Professor Dumbledores Stimme nun ebenfalls.
 
»Lassen Sie uns Zeit«, antwortete jetzt auch Harry. »Ich mag ziemlich spontan sein, wahrscheinlich spontaner, als gut für mich und andere ist, aber so schnell werde selbst ich keine so weit reichende Entscheidung treffen.« Er schaute kurz zu Hermione hinüber und hoffte, dass sie verstanden hatte. Dies sollte eine Art von Entschuldigung dafür sein, dass er sich im Forrest of Dean nicht hatte beherrschen können und hitzköpfig den Namen von Voldemort ausgesprochen hatte, was zu den furchtbaren Ereignissen in Malfoy Manor geführt hatte.
 
In Hermiones Blick war bei Harrys Worten kurzzeitig leichte Belustigung zu erkennen, die dann erneut in tiefe Ernsthaftigkeit umschlug, als in ihr Bewusstsein sickerte, wie Harrys Worte wirklich gemeint waren. Sie griff nach seiner Hand und drückte sie leicht. »Schon gut, Harry«, sagte sie leise, doch dieser schüttelte nur den Kopf.
 
Shacklebolt und auch McGonagall sahen die beiden etwas ratlos an. »Natürlich geben wir Ihnen die Zeit, in Ruhe darüber nachzudenken«, bemerkte der Amtierende Zaubereiminister würdevoll.
 
»Ich bin für meinen Teil absolut sicher, dass es für mich keinerlei Sinn ergibt, überhaupt über irgendwelche Möglichkeiten meiner ‘Karriere’ in der Zukunft nachzudenken, bevor nicht einige grundlegende und weitaus wichtigere Dinge geklärt sind«, formulierte Hermione nun entschlossen ihre Gedanken, die sie die gesamte Zeit nicht aus den Augen verloren hatte.
 
Kingsley Shacklebolt schaute taxierend von Hermione zu Harry, dessen Augen ebenfalls einen abschätzenden Ausdruck angenommen hatten, als er die Augen leicht zusammenkniff, um Shacklebolt seinerseits zu mustern, und warf dann einen Blick zu Albus Dumbledores Portrait hinüber. »Ah … ja. Ich glaube, dass ich verstehe …«
 
Aus der Richtung von Dumbledores Portrait ertönte ein leises Lachen. Albus Dumbledore schien sich auf Shacklebolts Kosten zu amüsieren.
 
»Nun, Sie sind hier. Das bedeutet zumindest, dass Professor Dumbledore Sie gefunden und mit Ihnen gesprochen haben muss«, stellte Harry nüchtern fest.
 
»Ja, aber das bedeutet nicht, dass ich Severus Snape blindlings einen Freibrief ausstellen kann oder will. Sie beide waren niemals Mitglieder des Phönixordens, denn dann wüssten Sie, dass ich mit Recht nicht gerade als Anhänger von Severus Snape gelte. Ich kenne ihn noch aus unserer gemeinsamen Schulzeit und habe auf den Ordenstreffen erlebt. Seine und meine Anschauungen über sehr viele Dinge, darunter ganz besonders Loyalität, waren und sind meines Erachtens grundsätzlich verschieden. Ich glaube, dass ich erst einmal eine ganze Weile darüber nachdenken muss, ob ich reinen Gewissens Ihre Erwartungen erfüllen kann, und inwieweit ich Ihrer … — nun, sagen wir — … Bitte entsprechen und ihm helfen werde.«
 
»Loyalität! Sie wagen es, an seiner Loyalität zu zweifeln???« Harry war fassungslos.
 
»Sie müssen darüber nachdenken? Meiner Bitte?« Hermione glaubte, sich verhört zu haben. »Wo waren Sie, als Harry in der Letzten Schlacht Voldemort über Severus Snapes wahre Loyalität aufgeklärt hat? Wie können Sie es wagen, die Worte des Jungen-der-lebt anzuzweifeln?!!!« Sie war außer sich.
 
»Mister Potter! Miss Granger! Dies ist der Amtierende Zaubereiminister!« Professor McGonagall richtete sich in ihrem Sessel auf und versuchte voller Entrüstung, Hermione zurechtzuweisen. Noch niemals in den langen Jahren zuvor hatte ihre Vorzeigeschülerin sich derart despektierlich einem Professor oder einer anderen Autorität gegenüber benommen.
 
»Lass nur, Minerva. Ich kann Miss Granger bis zu einem gewissen Punkt sogar verstehen. Aber Sie müssen auch versuchen, meine Einstellung zu akzeptieren«, wandte er sich nun wieder an Hermione. »Es sind im letzten Jahr viele schreckliche Dinge an dieser Schule geschehen, Dinge, über die Sie nichts wissen, da Sie nicht hier waren«, erwiderte Kingsley Shacklebolt leise. »Severus Snape wurde von Voldemort höchstpersönlich als Schulleiter eingesetzt, er hat beide Carrows als Professoren an diese Schule geholt …«
 
»Aber doch nicht, weil dies seinem freien Willen entsprach. Er war dazu gezwungen, die Carrows einzustellen. Ich kann mir gut vorstellen, wie ‘nachdrücklich’ Voldemort darauf bestanden hat. Offiziell, um den Schülern Disziplin und die richtige Einstellung gegenüber Muggeln zu vermitteln, in Wirklichkeit jedoch bestand ihre Aufgabe bestimmt zum großen Teil darin, Professor Snape zu überwachen …« Hermione hatte sich gerade erst warm geredet, wurde jedoch von Harry unterbrochen.
 
»Er war gezwungen, Dinge zu tun, die ihm widerstrebten. Er musste unter allen Umständen seine Tarnung als rechte Hand Voldemorts aufrechterhalten und versuchen, trotzdem die Schüler zu beschützen. Ohne ihn wären vermutlich noch weitaus schlimmere Dinge geschehen …«, führte er Hermiones Gedanken weiter.
 
Doch sie hatte noch nicht ihr ganzes Pulver verschossen. »Er hat alles in seiner Macht stehende getan, die Schüler im Rahmen seiner Möglichkeiten zu schützen. Nach allem, was ich gestern von Neville gehört habe, haben die Carrows mit harter Hand regiert. Allein der versuchte Diebstahl des Schwertes durch Ginny, Neville und Luna hätte normalerweise, wäre es den Carrows gegangen, eine Bestrafung durch Unverzeihliche Flüche wie den Cruciatus bedeutet. Aber das ist nicht geschehen. Merkwürdig, oder? Professor Snape dagegen hat sie mit Hagrid in den Verbotenen Wald geschickt …« Hermione war jetzt kaum noch zu stoppen.
 
»Okay, okay, ich versichere Ihnen, dass ich über Ihre Argumente ernsthaft nachdenken werde.« Kingsley Shacklebolt hob abwehrend beide Hände. »Sparen Sie sich ihre flammende Verteidigungsrede für den Zeitpunkt auf, wo sie nötig sein wird: Für die Zauberer und Hexen im Zaubergamot. Ich bezweifle, dass selbst mein Gewicht als Amtierender Zaubereiminister ausreichen wird, um ihm eine Verhandlung vor dem Zaubergamot zu ersparen. Und ich habe praktisch keinerlei direkten Einfluss auf den Ausgang dieses Verfahrens. Dabei kann alles passieren, von Freispruch bis Azkaban.«
 
Hermione betrachtete ihn nachdenklich. So sehr sie sich auch bemühte, sie konnte seine Körpersprache nicht in Einklang mit seinen Worten bringen. >Warum bin ich mir nur nicht sicher, dass er in Wirklichkeit ernsthaft darüber nachdenken will?<, fragte sie sich. Laut jedoch begehrte sie auf: »Das ist absolut nicht fair. Er hat so viele Jahre seines Lebens dafür aufgewendet, Voldemort zu Fall zu bringen, hat dafür alles riskiert, hat sich sogar Voldemorts Folterungen unterworfen, ohne Rücksicht auf seine eigene Gesundheit, hat Dinge gesehen und erlebt …«
 
»Woher wollen Sie das alles wissen, Miss Granger? Abgesehen davon, versuche ich einfach nur, realistisch zu sein«, unterbrach Kingsley sie.
 
»Oh … ja … realistisch. Vielleicht sollten Sie dabei besser im Auge behalten, was er für die magische Welt getan hat. Das ist für mich realistisch. Das ist es, was wirklich zählt.« Hermiones Stimme war zu einem leisen Zischen geworden, ein gefährliches Etwas lag darin, von dem ihre Freunde wussten, dass dies nur geschah, wenn sie die Grenze ihrer Selbstbeherrschung erreicht hatte. Niemand von ihnen hatte jemals das Bedürfnis verspürt, auszuloten, was sich hinter dieser Grenze verbarg. Harry hatte vorhin geglaubt, einen kurzen Blick hinter diese Grenze erhascht zu haben, allerdings war er sich jetzt nicht mehr ganz so sicher.
 
»Miss Granger! Jetzt reicht es!«, intervenierte Professor McGonagall erneut, diesmal wirklich empört und lautstark. Ihr Mund war zu einem dünnen Strich zusammengekniffen und sie schoss einen bitterbösen Blick auf ihre favorisierte Schülerin ab.
 
Doch diese ließ sich nicht aufhalten. »Sie scheinen doch gar kein Interesse daran zu haben, dass die Wahrheit über Severus Snape ans Licht kommt. Was ist es …? Einmal Todesser, immer Todesser? Oder irgendetwas Privates …?«
 
Kingsley Shacklebolt beugte sich nach vorn. Seine Stimme klang hart und angespannt. »Ich kannte Snape bereits während meiner Schulzeit. Und glauben Sie mir, er war alles andere als ein netter Junge. Er ging keinem Streit mit den Marauders aus dem Weg, war nur auf Dunkle Magie ausgerichtet. Trieb sich immer mit einer Gang aus Slytherins herum, die sich später fast alle als Todesser erwiesen. So wie er selbst …«
 
Hermione setzte zu einer scharfen Erwiderung an, aber erneut hörten sie Albus Dumbledores Stimme aus dem Hintergrund. »Kingsley — hör’ auf.« Er klang bittend und mahnend zugleich.
 
»Aber, Albus! Sie kann doch nicht …«
 
»Hör’ auf! Sie mag Gryffindor sein, aber selbst du als Slytherin wirst ihr nicht gewachsen sein.« Dieses Mal gab es in dieser Stimme weder ein leises Lachen noch einen amüsierten Unterton; die Stimme war nur eindringlich.
 
»Das ist nicht dein Ernst, oder? Dieses kleine Mädchen …«
 
Doch Dumbledore unterbrach ihn abrupt. »Dieses kleine Mädchen, wie du sie nennst, war das Gehirn — der Verstand — des ‘Goldenen Trios’. Jeder, der versuchen sollte, sich Hermione Granger entgegenzustellen, wird eine der mächtigsten Hexen dieses Jahrhunderts zur erbitterten Gegnerin bekommen, Kingsley.«
 
Alle Blicke waren nun auf Dumbledore gerichtet. In den gemalten Augen war kein übliches Zwinkern, er blinzelte nicht einmal. Seine Miene war ernst, beinahe sorgenvoll. »Es wird kein ungefährliches Unterfangen sein, sich Miss Granger in den Weg zu stellen. Der Zaubergamot sollte sich auf einen harten Kampf gefasst machen.«
 
Diesen Worten folgte für mehrere Sekunden ein tiefes Schweigen. Alle im Raum Anwesenden mussten erst einmal jeder für sich mental verarbeiten, welche Bedeutung Dumbledores Bemerkung hatte.
 
»Aber …« Professor McGonagall fasste sich als Erste wieder. »Albus, was um Merlins Willen willst du damit sagen?«
 
Doch das Portrait schwieg, und Minerva McGonagall hatte keinerlei Zweifel, dass sie auf diese Frage, zumindest in Anwesenheit der Anderen, keine Antwort erhalten würde — wenn überhaupt.
 
Kingsley Shacklebolt, dessen Blick sich nach Dumbledores letzten Worten fest auf Hermione gerichtet hatte, versuchte ein nachträgliches Erschauern zu unterdrücken. Er hatte zumindest während des Zweiten Krieges gegen Voldemort eng genug mit Albus zusammengearbeitet, um sich dessen bewusst zu sein, dass dieser eine solche Aussage nur traf, wenn er sich seiner Sache sehr sicher war. »Es hat keinen Sinn, sich bereits jetzt darüber den Kopf zu zerbrechen, was geschehen könnte, Miss Granger«, versuchte er nun, sie und sich selbst zu beschwichtigen. »Abgesehen davon, auch der Aussage des Goldenen Trios wird in dieser Angelegenheit sicherlich ein großes Gewicht beigemessen werden.«
 
»Und der Aussage von Professor Dumbledore«, setzte Harry hinzu.
 
Kingsley Shacklebolt nickte. »Auch das. Wir werden sehen müssen, was die Zukunft bringt. Ich kann und will Ihnen nichts versprechen, was ich vielleicht nicht halten kann, aber ich werde versuchen, alles zu tun, was in der Macht des Amtierenden Zaubereiministers steht, was für Severus Snape von Nutzen sein könnte. Auch wenn ich dabei gegen meine persönliche Überzeugung handeln muss. In wie weit ich wirklich dazu in der Lage sein werde, weiß nur Merlin selbst. Es gibt jedoch noch eine weitere Angelegenheit, über die ich mit Ihnen sprechen möchte, Mister Potter.«
 
Harry schaute ihn leicht irritiert an. »Was meinen Sie?«, fragte er.
 
»Die politische und wirtschaftliche Situation in Großbritannien nach Voldemorts Sturz ist vollkommen instabil. Nicht nur Hogwarts wurde zum Teil zerstört, auch in den großen Städten des Landes gibt es massive Schäden. Die Winkelgasse und das Ministerium sind besonders betroffen, aber auch andere Teile Londons. Manchester, Glasgow, Bristol und viele andere Städte sind ebenfalls nicht verschont geblieben. Und nicht nur die Bereiche der Zauberer, sondern auch ganze Muggel-Stadtteile.
 
Noch immer sind sowohl flüchtige Todesser als auch Voldemorts Sympathisanten über das ganze Land verstreut. Es ist sehr schwer, Freund von Feind zu unterscheiden, was die Arbeit des Ministeriums nicht gerade erleichtert. Die Anstrengungen des Ordens sind also ebenfalls noch lange nicht beendet. Und es ist und bleibt immer noch sehr gefährlich dort draußen. Wir benötigen einen Ort, an dem der Orden sich weiterhin treffen kann. Dabei hatte ich an den Grimmauldplatz gedacht.«
 
Harry entspannte sich sichtlich und nippte an seinem Tee. »Natürlich stelle ich dem Orden für die Treffen den Grimmauldplatz zur Verfügung. Allerdings muss ich Sie darauf aufmerksam machen, dass es vermutlich mehreren Todessern gelungen ist, in das Gebäude einzudringen und ihnen deshalb der Standort bekannt sein dürfte.«
 
»Das war allein meine Schuld. Yaxley hat mich bei der Flucht aus dem Ministerium am Ärmel erwischt und ich konnte ihn nicht mehr abschütteln, bevor wir apparierten«, erklärte Hermione beschämt. »Da ich mich ihm erst entziehen konnte, als wir uns bereits auf der obersten Stufe des Hauses am Grimmauldplatz befanden, und damit innerhalb des Wirkungsbereiches des Fidelius-Zaubers für das Haus, mussten wir Hals über Kopf flüchten.«
 
»He, das war nicht deine Schuld, Hermione!«, erhob Harry augenblicklich Einwände, doch sie zuckte als Antwort nur unglücklich mit den Schultern.
 
»Ich werde das Haus zusammen mit einigen Auroren durchsuchen und danach einen neuen Fidelius-Zauber errichten. Wären Sie damit einverstanden, dass Professor McGonagall die Rolle des Geheimniswahrers übernimmt?«, fragte Kingsley. Minerva nickte ihre Zustimmung.
 
»Natürlich«, antwortete Harry. »Bei dieser Gelegenheit könnten Sie bitte auch gleich dieses Ungetüm im Eingangsbereich beseitigen, das Moody dort hinterlassen hat.«
 
Kingsley Shacklebolt sah ein wenig erstaunt aus, doch Harry bot ihm nur eine vage Erklärung an. »Sie werden wissen, was ich meine, wenn Sie dort sind. Wenn es irgendwie möglich ist, würde ich gern heute Abend zum Grimmauldplatz zurückkehren.«
 
Der Amtierende Zaubereiminister wiegte den Kopf. »Ich werde Ihnen eine Eule schicken, wenn wir die Durchsuchung abgeschlossen haben und der neue Fidelius-Zauber errichtet ist.«
 
Harry nickte und erhob sich. Auch Hermione und die beiden anderen standen auf.
 
»Danke, dass Sie gekommen sind. Ich werde sehen, was ich erreichen kann — für ihn. Ich melde mich bei Minerva, sobald ich genaueres weiß. Und — denken Sie über mein Angebot nach. Es ist wichtig für die magische Welt, dass die Positionen im Ministerium mit Menschen besetzt werden, die einen wirklichen Umbruch und Neuanfang wollen.«
 
»Das werden wir. Vielen Dank, Minister.« Harry und Hermione wandten sich um und gingen in Richtung der Tür.
 
Gerade als Harry die Hand nach der Klinke ausstreckte, erreichte sie Shacklebolts letzte Frage: »Wissen Sie zufällig irgendetwas über den Verbleib von Severus Snapes Zauberstab? Es ist leider unvermeidlich, ihn bis zur Verhandlung zu konfiszieren. Allerdings habe ich feststellen müssen, dass er sich im Moment nicht in seinem Besitz befindet.«
 
Beide drehten sich zu ihm herum. In ihrer beider Blick lag absolute Unschuld — in Harrys, weil er völlig unschuldig war, in Hermiones, weil sie sich vollkommen in der Gewalt hatte. »Nein. Woher auch? Vielleicht sollten Sie sich bei Madame Pomfrey erkundigen«, gab sie ihm einen guten Rat, drehte sich auf dem Absatz herum und griff selbst nach der Türklinke.
 
 
 
Fortsetzung folgt …
 
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