AleaThoron
   
  FairyCat's Potions and Passions
  Kapitel 14 — Erste Klärungen
 
DISCLAIMER: Ich verdiene kein Geld damit, habe jedoch genau den unglaublichen Spaß, der nicht mit Geld aufzuwiegen ist. Alle agierenden Personen gehören JKR. Ich habe sie mir heimlich ausgeborgt, verspreche aber, gut auf sie aufzupassen und sie wohlbehalten und an Erfahrungen reicher und gereifter wieder zurückzugeben.
 
Beta: Deep Water — Mein ganz spezieller Dank gilt meinem Beta, der eigentlich mein Vater ist, und der es sich trotz seiner schweren Krankheit nicht nehmen ließ, mein erster Kritiker zu sein.
 
 
Coniunctio perpetua by Alea Thoron
 
 
Kapitel 14 — Erste Klärungen
 
Hermione schaute Severus kurzzeitig mit schreckgeweiteten Augen an. >Was hast du dir bloß dabei gedacht, einfach drauflos zu plappern?< Sie erinnerte sich an das Buch, das aufgeschlagen direkt vor ihm auf dem Tisch gelegen hatte, an ihre heftige Reaktion und schluckte schwer. Noch immer hatte er keine Bemerkung darüber gemacht und sie wusste nicht, ob und wenn, wieviel er davon gelesen hatte. Schließlich hatte er die unangenehme Angewohnheit, Menschen dann mit gewissen Dingen zu konfrontieren, wenn sie damit überhaupt nicht rechneten.
 
Trotzdem. Sie wollte und konnte jetzt nicht darüber reden, was sie getan hatte, schon gar nicht mit ihm. Nicht umsonst hatte sie sowohl Harry als auch Ron selbst lesen lassen, welche Auswirkungen der Zauberspruch hatte. Mit ihm darüber zu reden, sich wahrscheinlich auch vor ihm rechtfertigen und seine Vorwürfe hören zu müssen, das war nicht das, was sie im Moment ertragen konnte. Sie hatte von Anfang an — schon in dem Moment, in dem sie damals diese schwerwiegende Entscheidung getroffen hatte — gewusst, dass er die Wahrheit irgendwann erfahren musste und sie sich ihm würde stellen müssen, aber nicht jetzt und nicht hier. Sie hatte nicht genug Zeit gehabt, sich auf die anstehende Auseinandersetzung mit ihm vorzubereiten. Obwohl — wenn es danach gehen würde — sie würde niemals genug Zeit dafür haben.
 
Sie nahm ihre Hand von seinem Arm und machte ein paar Schritte von ihm weg. Seit er sie hier in der dunklen Ecke der Bibliothek aufgespürt hatte, war sie sich jede Sekunde dessen bewusst, dass er jede ihrer Bewegungen genau verfolgte und jede noch so kleine Veränderung ihres Mienenspiels mit Argusaugen beobachtete. Ihm entging nichts!
 
Sie drehte sich langsam zu ihm herum. »Ich möchte im Moment nichts erklären müssen, Professor Snape. Ich bin bereit, mit Ihnen darüber zu reden, aber ich möchte den Zeitpunkt dafür selbst bestimmen dürfen.«
 
Severus Snape lehnte sich mit der Schulter gegen die Wand, eine Körperhaltung, die sie bei ihm zuvor noch nie gesehen hatte und warf ihr einen höchst eindringlichen Blick zu. »Miss Granger, ich bin mir sicher, dass es Ihrer Aufmerksamkeit nicht entgangen ist, wie sich mein Zauberstab gestern Abend verhalten hat.«
 
Er wartete kurz, bis Hermione zögerlich bestätigend nickte, bevor er weitersprach. »Nun, ich habe heute Morgen ein Experiment durchgeführt.« Seine Stimme klang ruhig, beinahe schon gelassen. Wenn sie es nicht besser gewusst hätte, wäre sie davon ausgegangen, dass er nur über das Wetter sprach.
 
»Was für ein … Experiment?«, fragte sie mit einer Stimme, die ihr kaum gehorchen wollte.
 
»Eine Veränderung magischer Komponenten ist keine alltägliche Angelegenheit. Es ist äußerst ungewöhnlich für einen Zauberstab, seine Farben zu wechseln. Magische Gegenstände — egal welcher Art — verändern nur unter gewissen Voraussetzungen ihre Eigenschaften, meist, wenn der jeweilige Eigentümer wechselt beziehungsweise sich die Verhältnisse oder Lebensumstände des Eigentümers in irgendeiner Art und Weise verändern. Nichts Derartiges geschieht ohne Ursache«, dozierte er wie in einer Vorlesung.
 
Hermione versuchte, sich gleichzeitig auf seine Worte zu konzentrieren und ihre immer weiter ansteigende Nervosität vor ihm zu verbergen, was ihr jedoch selbst nach ihrer eigenen Einschätzung nur sehr unzureichend gelang. Sie nagte an ihrer Unterlippe, eine Angewohnheit, die sie schon als kleines Kind nicht hatte abstreifen können und die sie sowohl durch ihre gesamte Schulzeit als auch durch das gesamte Jahr ihrer Flucht begleitet hatte.
 
»Nachdem mein Zauberstab gestern anstelle von gewohnt grünen Funken diesen goldenen Funkenregen produzierte, wurde meine bis dahin nur vage Vermutung zur Gewissheit. Aus diesem Grund habe ich versuchsweise den Zauber geworfen, der sich im Normalfall nur unter ganz speziellen, um nicht zu sagen, extremen Bedingungen verändern würde.« Noch immer lehnte er lässig an der Wand und strahlte trotz seiner bedeutungsvollen Worte, die folgenreiche Auswirkungen auf sein gesamtes Leben haben mochten, eine unglaubliche Ruhe aus. Und doch war irgendetwas in seinem Blick, was sie innerlich erschaudern ließ. Er blickte sie aus seinen tiefschwarzen Augen durchdringend, ja beinahe herausfordernd an.
 
»Was ist geschehen?«, flüsterte sie beklommen.
 
»Haben Sie jemals meinen Patronus gesehen?«, antwortete er mit einer Gegenfrage.
 
»Ich — nein. Harry war allein, als die silberne Hirschkuh ihn an die Stelle brachte, wo das Schwert versteckt war. Er hat mir, erst nachdem er Ihre Erinnerungen gesehen hat, davon erzählt, dass es Ihr Patronus war.« Sie runzelte die Stirn, unsicher darüber, wie viele Informationen er über ihre Zeit im Forrest of Dean besaß.
 
Noch während sie redete, erkannte Hermione schlagartig das ganze Ausmaß des damaligen Geschehens. Nicht nur sein Patronus war damals im Forrest of Dean gewesen, sondern Professor Snape selbst musste sich dort zur selben Zeit aufgehalten haben. Mit einem Patronus konnten die Mitglieder des Ordens des Phönix untereinander zwar gesprochene Nachrichten austauschen, aber ein Patronus war nicht in der Lage dazu, stoffliche Gegenstände zu transportieren. Severus Snape musste sich ganz in der Nähe befunden haben, um den richtigen Zeitpunkt abzupassen, wann er Harry mit Hilfe seines Patronus zum Versteck des Schwertes führen konnte. Und er selbst hatte das Schwert in dem vereisten Tümpel versenkt. Warum hatte sie das alles nicht schon früher erkannt?
 
»Sie waren dort!«, entfuhr es Hermione, immer noch über ihre Entdeckung staunend. »Sie haben uns beobachtet und auf eine günstige Gelegenheit gewartet, Harry das Schwert zuzuspielen!«
 
Severus erinnerte sich noch sehr gut an die eisige Nacht.
 
Flashback
 
Noch in der Nacht des 24. Dezembers hatte Voldemort ein Todessertreffen einberufen. Der Dunkle Lord hatte getobt, außer sich vor Wut und Enttäuschung, dass ihm Harry Potter in Godric’s Hollow entkommen war. Er hatte diesen Zorn an mehreren seiner Gefolgsleute ausgelassen, darunter auch an Lucius Malfoy, dem er seit der fehlgeschlagenen Aktion im Ministerium an allem und jedem die Schuld gab, und natürlich auch an Severus selbst. Jeder von ihnen war durch mehrere Runden des Cruciatus-Fluches gegangen, bevor sich Voldemort einigermaßen unter Kontrolle hatte. Noch heute konnte er Voldemorts zischende Stimme hören: ‘Diesessss verdammte Schlammblut!!!’ Nur mit Mühe hatte Severus sich später nach Hogwarts zurückschleppen können. Und dieses Mal hatte er dort nicht auf Hilfe rechnen können.
 
Er war — noch immer unter den starken Nachwirkungen des Cruciatus leidend — am Nachmittag des zweiten Weihnachtstages in den Forrest of Dean appariert, um nach dem Versteck des Goldenen Trios zu suchen, nachdem er endlich durch Phineas Nigellus Black einen Hinweis auf ihren Aufenthaltsort erhalten hatte. In weiser Voraussicht hatte er damals seinen Besen mitgenommen, ansonsten wäre dies vermutlich zu einem aussichtslosen Unterfangen geworden.
 
Nachdem er ihren Unterschlupf mit Hilfe eines Dunklen Ortungszaubers gefunden hatte, der jeden noch so gut verborgenen magischen Schutzraum durchdrang, hatte er seine Langziehohren ausgepackt und sich auf die Lauer gelegt. Eine kurze Zeit hatte er gefürchtet, dass ihr Lager verlassen sein könnte, doch die Langziehohren hatten Gespräche aus dem Zelt übertragen. Er konnte aus dem Inneren des Zelts die Stimmen von Miss Granger und Harry Potter hören und hatte dabei erfahren, dass Lilys Sohn von Nagini angegriffen und gebissen und von Hermione Granger gerettet worden war. Erst jetzt hatte er Gryffindors Schwert in dem Tümpel versenkt und eine dicke Eisschicht darüber gelegt.
 
Er hatte mehrere Stunden — vor der eisigen Kälte nur durch seine Wärmezauber geschützt — gewartet, bis er Harry Potter gesehen hatte, der vermutlich die Nachtwache übernahm. Dann erst hatte er seinen Patronus gesandt, der Potter an die Stelle geführt hatte. Seine einzige Hoffnung war gewesen, dass Harry der silbernen Hirschkuh folgen würde, weil sie ihn tief in seinem Inneren an irgendetwas Vertrautes erinnern würde, auch wenn er dies nicht würde benennen können. Da er sicher sein musste, dass Harry Potter das Schwert auch wirklich fand, war er ihm leise gefolgt und hatte die weiteren Geschehnisse beobachtet. Erst dann hatte er mit einem Tergeo seine Spuren verwischt und war zurück nach Hogwarts appariert.
 
Flashback Ende
 
Seine Gedanken kehrten in die Gegenwart zurück. Als er wieder aufsah, merkte er, dass Hermione Granger ihn mit gerunzelter Stirn musterte, wie sie es wohl schon bereits seit einiger Zeit getan hatte, ohne dass er es bemerkt hätte.
 
»Ja, ich war dort«, gab er nun zu. Severus wusste, dass es sinnlos sein würde, diese Tatsache zu bestreiten. Er wunderte sich allerdings, dass Minervas Lieblingsschülerin bis zum jetzigen Zeitpunkt gebraucht hatte, um die Zusammenhänge zu durchschauen und die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Wenn er ehrlich war, hatte er das nicht erwartet. Und er war außerdem nicht erfreut darüber, dass ihr diese Erkenntnis ausgerechnet in diesem Moment kommen musste.
 
Er würde versuchen, genau dies zu seinem Vorteil auszunutzen. Doch Miss Granger kam ihm unbewusst zu Hilfe, als sie wieder zu sprechen begann.
 
»Erst als Harry in Professor Dumbledores Denkarium Ihre Erinnerungen sah, hat er begriffen, dass die silberne Hirschkuh, die ihn im Forrest of Dean zu Gryffindors Schwert geführt hat, Ihr Patronus gewesen ist. Damals ist er ihr zu dem Tümpel gefolgt, weil er sie als Vertrauen erweckend eingestuft hat, weil sie ihm irgendwie … vertraut vorkam.« Sie wusste nicht, wie sie es besser beschreiben konnte, doch Professor Snape verstand es trotzdem.
 
Severus nickte leicht. »Darauf hatten Dumbledore und ich damals gehofft. Nun …«
 
»Hat ... hat sich Ihr Patronus ... verändert?«, unterbrach sie ihn angespannt. Wenn dies der Fall war, dann konnte Hermione wenigstens bis zu einem gewissen Punkt nachvollziehen, wie er sich fühlen musste. Diese Hirschkuh hatte ihn über zwei Jahrzehnte begleitet. sie war seine letzte Verbindung zu Harrys Mutter. Seitdem sie von Harry Bruchstücke von dem erfahren hatte, was er in den Erinnerungen ihres Professors gesehen hatte, war sie ergriffen von der tiefen und selbstlosen Liebe, die Severus Snape bis heute für Lily empfand.
 
Tiefschwarze Augen begegneten braunen Augen mit einer nie gekannten Eindringlichkeit. Es dauerte eine ganze Weile, ehe er antwortete. »Ja, das hat er.«
 
»Merlin!«, flüsterte sie betroffen. »Das habe ich nicht gewollt.«
 
»Was wollten Sie dann?« Er klang angespannt und trotzdem gleichzeitig auch erschöpft.
 
»Ich wollte doch nur, dass Sie überleben!«, flüsterte sie mit erstickter Stimme. Sie räusperte sich. »Harry hat mir erst nach meiner Auseinandersetzung mit Professor Dumbledore … von der Gestalt Ihres Patronus’ erzählt.« Sie begriff noch in dem Moment, als sie es gerade ausgesprochen hatte, ihren Fehler, konnte es jedoch nicht mehr ändern.
 
»Auseinandersetzung?« Wie sie befürchtet hatte, hob er argwöhnisch eine Augenbraue.
 
»Ist nicht wichtig«, versuchte Hermione ihren Fauxpas zu überspielen.
 
»Das zu entscheiden sollten Sie mir überlassen, meinen Sie nicht?«
 
Beide zuckten erschrocken zusammen, als der Muggelwecker schrill zu klingeln begann. Severus versuchte, den sofort durch seinen Nacken fahrenden Schmerz vor Hermiones Augen zu verbergen, was ihm jedoch nicht völlig gelang. Sie machte instinktiv zwei Schritte auf ihn zu und hob die Hand, als ob sie ihn berühren wolle, blieb dann allerdings stehen und ließ sie wieder sinken, als sie bemerkte, was sie tat. Sie war sich absolut nicht sicher, ob er eine Berührung durch sie in diesem Moment tolerieren würde.
 
Er war nicht zurückgewichen, als sie die Hand nach ihm ausgestreckt hatte, obwohl im ersten Moment alles in seinem Inneren danach geschrieen hatte. Mit Hilfe seiner jahrelang antrainierten Selbstbeherrschung, die ihn im Inneren Zirkel Voldemorts und bei sonstigen Begegnungen mit anderen Todessern am Leben erhalten hatte, gelang es ihm, die Maske vollkommener Ruhe beizubehalten. Stattdessen fragte er: »Was, um Merlins Willen, ist das?«
 
Sie forschte in seinem Gesicht nach Anzeichen von Verärgerung oder Missbilligung. »Ich habe einen Wecker gestellt, weil ich Zaubertränke aufgesetzt habe, um die ich mich sofort kümmern muss. Ich habe jetzt noch zehn Minuten, bis ich Zutaten zum ersten Zaubertrank hineingeben muss.« Sie stellte den Wecker eine halbe Stunde weiter, um nicht die Zeit zu verpassen, wenn als Zweiter der Schmerztrank ihrer erneuten Aufmerksamkeit bedurfte.
 
Severus war überrascht. »Hier gibt es ein Labor?!«
 
Hermione blickte ihn argwöhnisch an. Konnte es sein, dass er nichts von der Existenz dieses Labors wusste? Nur zögernd antwortete sie: »Ja, unten im Keller. Ich bin vor zwei Jahren durch Zufall regelrecht darüber gestolpert.«
 
Wieder forschte sie in seinem Gesicht, konnte jedoch außer echtem Interesse nichts darin finden. »Nachdem wir kurz nach Bills Hochzeit in dieses Versteck zurückgekehrt waren, habe ich hier die Zaubertränke gebraut, die wir vielleicht brauchen würden.« Sie wandte sich zum Gehen, drehte sich dann jedoch nochmals zu ihm herum. »Wollen Sie mitkommen, Professor?«
 
Severus war — wenn er ehrlich sein sollte — erstaunt darüber, dass sie ihn fragte. Zum einen hatte er geglaubt, dass sie ihrer Meinung nach gar nicht schnell genug seinen inquisitorischen Fragen entkommen konnte. Zum anderen war er in der Vergangenheit nur selten einem Menschen begegnet, der freiwillig seine Gesellschaft und damit auch seine Launen und seinen triefenden Sarkasmus erduldete. Albus war einer dieser Wenigen gewesen. Er hatte sich sogar über Severus’ diesbezügliche ironische Bemerkungen immer nur leise lustig gemacht. Severus konnte sein nur mühsam unterdrücktes Kichern immer noch hören.
 
Er folgte Hermione wortlos ins Erdgeschoß. Wenn ihn seine Erinnerung nicht trog, hatte er hier niemals einen wie auch immer gearteten Zugang zu irgendeinem Kellerraum entdecken können. Doch sie ging zielgerichtet die Eingangshalle entlang und die schmale Treppe zur Küche hinunter, geradeaus bis sie vor einer gemauerten Nische in der Wand stand, an der es nicht mehr weiterging und der schmale Korridor zur Küche nach rechts abzweigte.
 
Sie drehte sich zu ihm herum und sah ihn an. »Wenn ich nicht eines nachts gezwungen gewesen wäre, hier unten nach … nach Krummbein zu suchen, hätte ich diesen Zugang zum Kellerlabor vermutlich nie gefunden.«
 
Einen Moment lang hatte sie gestockt und er sah einen Ausdruck von Wehmut und Sehnsucht in ihren Augen. Er erinnerte sich daran, dass Krummbein in Hogwarts ihr Haustier gewesen war, ein roter Halb-Kneazle, ziemlich wuschelig. Auch er schien ein Opfer dieses Krieges geworden zu sein, ebenso wie Hedwig, Potters geliebte Eule. Severus bedauerte diesen Umstand aus einem ganz persönlichen Grund.
 
Hermione hatte sich in der Zwischenzeit wieder gefangen. »Krummbein hatte sich direkt in die Nische in der Wand gesetzt. Als ich nach ihm greifen und ihn hochnehmen wollte, entwischte er mir und verschwand einfach. Vor Schreck verlor ich das Gleichgewicht und versuchte, mich an der Wand abzustützen. Doch meine Hand ging einfach durch die Mauer hindurch, als wäre diese überhaupt nicht vorhanden. Dadurch habe ich den weiterführenden Korridor entdeckt, der direkt in das Labor führt. Dies hier ist eine reine Illusionsmauer, die man ohne weiteres durchqueren kann. Normalerweise wäre es mir niemals aufgefallen.«
 
Sie streckte plötzlich ihre Hand nach Snape aus und griff ohne darüber nachzudenken nach seiner Hand, um ihn mit sich zu ziehen. Sofort spürte sie seine Körperwärme und es durchflutete sie ein Gefühl von Geborgenheit und innerem Frieden. Es war sehr angenehm. »Kommen Sie, hier gibt es nur einen minimalen Widerstand.«
 
Severus war für einen Moment wie erstarrt. Niemand hatte bis heute gewagt, ihn einfach so zu berühren. Selbst Albus hätte niemals einen Versuch unternommen, ihm auch nur die Hand auf die Schulter zu legen, ohne dass Severus diese Hand kommen sah, da der alte Schulleiter wusste, mit welcher Vehemenz er sich gegen jede Form von unerwarteter Berührung verteidigen würde.
 
Er hatte zwar die Hand kommen sehen und war deshalb darauf vorbereitet gewesen, hatte jedoch nicht geglaubt, dass sie es wirklich wagen würde, ihn tatsächlich anzufassen. Doch sie wagte es nicht nur, sie tat es einfach. Mit völligem Unglauben starrte er auf ihre Hand. Im ersten Moment wollte er ihr seine Hand entziehen, aber dann spürte er ihre Wärme und konnte sich nicht mehr dazu durchringen. Zu lange war es her, dass er überhaupt die Wärme eines anderen menschlichen Wesens gefühlt hatte. Er wunderte sich über sich selbst.
 
Hermione erlebte seinen inneren Kampf im wahrsten Sinne des Wortes hautnah und führte dies auch auf die richtige Ursache zurück. Augenblicklich wollte sie ihre Hand zurückziehen, aber zu ihrer eigenen Überraschung verstärkte sich sein Griff. Er machte einen Schritt nach vorn und trat durch die Illusionswand, so dass nun sie ihm folgen musste.
 
Der Gang führte um eine weitere Ecke herum, bis die beiden vor einer geschlossenen Metalltür standen. Severus öffnete die Tür und betrat den Raum. Er hatte nach Hermiones Erklärung ein winziges Labor erwartet und war deshalb äußerst überrascht, einen für ein privates Labor ziemlich großen — wenn auch nach den Maßstäben der Hogwarts Schule für Hexerei und Zauberei recht kleinen — Raum vorzufinden, von dem er nach einem kurzen Rundumblick feststellte, dass dessen Ausstattung selbst für seine Ansprüche recht gut war.
 
»Unter welchem Teil des Hauses befinden wir uns?«, fragte Severus, als er den Blick zu der relativ hohen Decke richtete.
 
Doch Hermione zuckte nur kurz mit den Schultern. »Unter gar keinem. Über uns ist der Garten im hinteren Teil des Grundstücks. Die Banne um dieses Labor sind unheimlich mächtig. Ich nehme an, dass die ehemaligen Eigentümer verhindern wollten, dass bei einem Unfall hier unten das gesamte Haus in die Luft fliegt«, informierte Hermione ihn. Er nickte nur.
 
Auf dem Arbeitstisch standen zwei Kessel, deren jeweiliger Inhalt sanft vor sich hin köchelte.
 
Severus trat an den Arbeitstisch heran und schaute in die Kessel und dann auf die bereits vorbereiteten Zutaten. Er hob eine Augenbraue, runzelte im nächsten Moment kurzzeitig irritiert die Stirn und nickte dann bedächtig. »Was Sie mir gestern gegeben haben, waren modifizierte Tränke und auch das hier sind nur in Grundzügen die Tränke, die ich Sie in Hogwarts gelehrt habe. Sie haben also auch die Basen verändert. Nun, in dem Fall brauche ich mich nicht über den Geschmack zu wundern.«
 
Hermione errötete leicht. Sie hätte von vornherein wissen müssen, dass er sofort erkennen würde, dass diese Zaubertränke nur ansatzweise dem entsprachen, was sie bei ihm im Unterricht gelernt hatte. Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, ihn mit hier herunter zu nehmen. Abgesehen davon, dass sie dann auch seinen Fragen über all jene Dinge, über die sie im Moment nicht mit ihm reden wollte, wenigstens für eine Weile entkommen wäre, wie sie gerade für sich selbst feststellte. Sie wusste nicht so genau, ob sie sich selbst für ihre voreilige Frage, ob er mitkommen wolle, verhexen sollte oder nicht.
 
Als sie den Blick hob, um ihn anzuschauen, war aus Severus Snape wieder Professor Snape geworden, der voll konzentriert die Zutaten auf dem Tisch betrachtete. »Dann lassen Sie uns beginnen.«
 
Hermione klappte vor Überraschung beinahe die Kinnlade herunter, doch sie ließ es sich nicht anmerken. »Sie werden ganz bestimmt nicht damit beginnen!«, entfuhr es ihr. »Das einzige, was Sie in der nächsten Stunde tun werden, ist, sich dort drüben hinzusetzen und sich auszuruhen.« >Oh Himmel, wie konnte ich. Gleich wird das Donnerwetter über mich hereinbrechen.< Sie hatte überhaupt nicht darüber nachgedacht, was sie sagte oder wie sie es sagte. Ihre Reaktion war einzig und allein durch die Sorge um ihn geprägt gewesen. Doch jetzt musste sie Rückgrat beweisen und ihm die Stirn bieten. Das beste Mittel in dieser Situation war wahrscheinlich, ihn einfach zu ignorieren — oder zumindest so zu tun. Sie drehte sich abrupt herum und begann, sich um den Kessel mit dem Aufpäppelungstrank zu kümmern.
 
Severus glaubte im ersten Moment, sich verhört zu haben. Keiner seiner Schüler hatte jemals gewagt, in diesem Ton mit ihm zu sprechen, geschweige denn, ihm Befehle zu erteilen. Er setzte zu einer schneidenden Antwort an, als sie sich abrupt umdrehte und ihm demonstrativ den Rücken zuwandte. Er konnte es nicht fassen. Doch dann begriff er plötzlich, was sie antrieb: Sorge. Sorge um ihn. Seine Wut verrauchte augenblicklich und er spürte, wie eine unglaubliche Ruhe über ihn kam. Ohne ein weiteres Wort ging er zu dem Stuhl hinüber, der an der Wand stand, verwandelte ihn in einen gemütlichen Sessel und setzte sich. Von diesem Platz aus konnte er jede ihrer Bewegungen beobachten.
 
Sie hatte die Luft angehalten. Für einen Moment hatte sie befürchten müssen, dass er ihr für ihre aus tiefer Sorge ausgesprochene Bemerkung den Kopf abreißen würde, doch zu Hermiones großer Überraschung kam von seiner Seite keine wütende Reaktion. Ganz im Gegenteil. Er schlich ohne Widerrede in die angegebene Richtung. Trotzdem dauerte es eine Weile, ehe Hermione sich innerlich entspannen konnte.
 
Hermione konzentrierte sich für kurze Zeit völlig auf den Aufpäppelungstrank, bis ihre Gedanken in eine andere Richtung abschweiften. Aus irgendeinem Grund hatte sie begonnen, ganz tief in ihrem Inneren Gewissensbisse zu empfinden, weil sie einen sehr mächtigen Dunklen Zauber benutzt hatte, ohne die weiteren Konsequenzen zu kennen. Sie hatte ohne Zweifel in bester Absicht gehandelt und sie würde — das wusste sie mit Bestimmtheit — jederzeit wieder die gleiche Entscheidung treffen. In der Zwischenzeit war sie für sich selbst zu der Erkenntnis gekommen, dass hinter dem von ihr verwendeten Zauberspruch weitaus mehr stecken musste, als in dem Buch beschrieben worden war. Schließlich handelte es sich um Dunkle Magie, die nicht umsonst als gefährlich und grausam galt. Die Veränderung des Patronus war das beste Anzeichen dafür.
 
Wie durch einen Nebel ihrer Gedanken hörte sie seine samtene Stimme direkt neben sich. »Was haben Sie in der Heulenden Hütte wirklich getan, Miss Granger? Was ist es, das in dem Buch verborgen steht, das sie mit einer solchen Vehemenz an sich gebracht haben und dann in Ihrer Abendtasche verschwinden ließen?« In seinem Tonfall war weder Boshaftigkeit noch Sarkasmus, nur erneute Eindringlichkeit.
 
Im ersten Moment glaubte Hermione, dass sie sich diese Fragen und seine körperliche Nähe nur eingebildet hätte, doch als sie ihren Kopf in Richtung seiner Stimme wandte, fand sie ihn neben sich stehend wieder. Er musste zu ihr herübergekommen sein, ohne dass sie es bemerkt hatte. Sie gab die letzte Zutat in den Trank und rührte achtmal gegen den Uhrzeigersinn. Dann löschte sie die Flamme unter dem Kessel und füllte den Inhalt in Phiolen um.
 
»Also gut. Ich werde es Ihnen erklären. Allerdings erst, wenn beide Zaubertränke fertig und wir wieder in der Bibliothek sind«, stimmte sie müde zu. Sie fühlte sich nicht mehr in der Lage, weiter gegen ihn zu kämpfen. Wie auf Kommando begann der Wecker erneut zu klingeln
 
Nachdem auch der Aufpäppelungstrank in Phiolen abgefüllt war, drehte sie sich zu ihm herum und reichte ihm jeweils zwei Phiolen hinüber. »Für Sie.«
 
Er sah auf die Fläschchen und erkannte darin sowohl den Aufpäppelungs- als auch den Heiltrank wieder, den sie ihm gestern Abend, kurz bevor er die Treppe hatte hinaufsteigen wollen, um ins Bett zu gehen, gegeben hatte. Damit hatte er nicht gerechnet. Erst in diesem Moment verstand er, dass sie diesen gesamten Aufwand für ihn betrieben hatte und schaute sie sprachlos an. Doch sie hatte sich bereits abgewandt, so dass sie seine Reaktion nicht mehr sehen konnte. Sie räumte bereits die restlichen Zutaten, die sie nicht benötigt hatte, wieder in die Vorratskammer und säuberte die beiden Kessel und den Arbeitstisch mit Hilfe einiger Schlenker ihres Zauberstabes.
 
Die ganze Zeit über hatte Hermione das unbehagliche Gefühl, seine Augen auf ihrem Rücken zu spüren, was ihr sagte, dass er immer noch jede ihrer Bewegungen verfolgte. Nachdem sie wirklich nichts mehr finden konnte, was aufzuräumen oder zu säubern war, um noch etwas Zeit zu schinden und die Stunde der Wahrheit weiter hinauszuschieben, drehte sie sich herum und schaute ihn an. »Ich bin fertig, wir können gehen.«
 
Er stand immer noch am Arbeitstisch und beobachtete sie, wie sie bereits vermutet hatte. Nun nickte er und ging zur Tür, öffnete sie und wartete, bis sie auf den Korridor getreten war. Er legte ihr die Hand auf den Rücken und geleitete sie wortlos die Treppe hinauf und durch die Eingangshalle. Gerade als sie ihren Fuß auf die unterste Treppenstufe gesetzt hatte, um in den ersten Stock hinaufzusteigen, hörte sie aus dem Speisezimmer leises Gekicher. Auch Professor Snape musste es gehört haben, denn auch er verharrte regungslos.
 
Sie drehte sich herum, warf ihm einen kurzen fragenden Blick zu — obwohl er offensichtlich ebenso wenig wusste, was dies zu bedeuten hatte — und starrte dann angestrengt auf die Tür zum Speisezimmer. Kurz entschlossen drückte sie neugierig die Klinke herunter.
 
»Ginny!«, rief Hermione freudig, als sie ihre Freundin entdeckte.
 
Ginny Weasley saß auf Harrys Schoß und sprang erschrocken hoch, als Hermione die Tür öffnete. Ihre Lippen waren geschwollen und ihre Kleidung ziemlich unordentlich. Sie hatte einen hochroten Kopf bekommen, eine Farbe, die sich mit der Farbe ihrer Haare nicht sonderlich gut vertrug, und versuchte krampfhaft ihre Robe in Ordnung zu bringen. Das Kichern von eben und der Zustand ihrer Kleidung deuteten darauf hin, dass Harry und sie geknutscht haben mussten.
 
»Hermione, du … ohh…« Sie hielt erschrocken inne, als sie begriff, wie diese Situation wirken musste. »Professor Snape!!! Merlin sei Dank, Sie sind in Sicherheit!« Man konnte ihre Erleichterung buchstäblich mit Händen greifen. Dann errötete sie noch tiefer, fast bis an die Haarwurzeln.
 
»Miss Weasley.« Er neigte zum Gruß leicht den Kopf, schwieg jedoch ansonsten. Hier in Harry Potters Zuhause konnte er keine Hauspunkte für ungebührliches Benehmen abziehen, obwohl es ihn ganz gehörig in den Fingerspitzen juckte. Bereits allein die Vorstellung ließ ihn spöttisch eine Augenbraue hochziehen. Er sah, wie sie beschämt den Kopf senkte, und glaubte, dass sie seinen Spott auf die Tatsache bezog, dass an ihrer Robe ein paar Knöpfe offen standen und einer sogar fehlte.
 
Doch die Scham hatte in Wirklichkeit eine völlig andere Ursache, wie Severus aus ihren nächsten Worten entnehmen konnte. »Es tut mit so unendlich leid, was geschehen ist, Professor. Ich hätte niemals für möglich gehalten, dass irgendjemand von meiner Familie Sie jemals verraten würde.« Ihre Stimme war leise und sehr traurig.
 
Lähmendes Schweigen legte sich über das Speisezimmer. Hermione und Harry blickten einander erst betroffen und dann völlig entsetzt an, als ob sie geahnt hätten, dass genau dies geschehen würde. Severus Snape allerdings zog nur fragend eine Augenbraue in die Höhe.
 
»Da ich — und vermutlich auch die anderen Anwesenden in diesem Raum — keine Kenntnis darüber habe, wie das Ministerium von meinem Überleben erfahren haben könnte und aus welchem Grund Sie der Meinung sind, dass Ihre Familie darin verwickelt ist, sollten Sie eventuell die Liebenswürdigkeit besitzen, mich auf den Stand Ihres Wissens zu bringen«, sagte er mit einem spöttischen Lächeln.
 
»Ron!«, antworteten Harry und Hermione bedrückt unisono.
 
Ginny schüttelte langsam ihren Kopf. »Nein, Ron hat Professor Snape nicht an das Ministerium verraten. Er war aufgebracht, Hermione, schrecklich aufgebracht über das, was du ihm an den Kopf geworfen hast …«
 
»Was Hermione ihm an den Kopf geworfen hat?« Harry glaubte, sich verhört zu haben. »Was Hermione ihm an den Kopf geworfen hat??? Das glaube ich jetzt nicht!!! Hat er auch erzählt, wie mies er sich Hermione gegenüber benommen und was er zu ihr gesagt hat, ja?«, fragte er erbost. »Er hat sie aufs Übelste beschimpft. Und nicht nur das, er hat ihr verdammt wehgetan. Du hättest ihr Handgelenk sehen sollen.«
 
Severus warf einen schnellen Blick hinüber auf Hermiones Handgelenke, konnte jedoch keine Anzeichen irgendeiner Misshandlung mehr erkennen. Vermutlich hatte Potter bereits die Spuren beseitigt. Er hatte geglaubt, dass dieser schnelle Seitenblick unentdeckt bleiben würde, merkte jedoch im selben Moment, dass Potter ihn auf eigentümliche Art ansah. Nur Ginny und Hermione selbst war die Begebenheit entgangen.
 
»Ron würde ihr nie wehtun, Harry. Er liebt sie!«, widersprach Ginny ungläubig.
 
»Da bin ich mir ehrlich gesagt gar nicht mehr so sicher«, bemerkte Hermione eigentlich nur für sich selbst. Da die Erinnerung an Rons harsche Worte immer noch entsetzlich schmerzte, hatte sie die Augen geschlossen, so dass ihr nicht auffallen konnte, dass die beiden sie danach verblüfft anstarrten und der leise und traurig vorgebrachte Kommentar auch Severus Snapes Aufmerksamkeit nicht entgangen war.
 
»Oh doch, er liebt dich, Hermione!«, wandte Ginny energisch ein.
 
Harry wiegte den Kopf. »Seit seinem Auftritt hier in der Küche habe sogar ich meine Zweifel daran. Man behandelt niemanden auf diese Art, den man liebt. Nicht einmal, wenn man aufgebracht ist. Das einzige, was noch gefehlt hat, war der Begriff … Schlammblut — entschuldige, Hermione.«
 
Ginny Gesicht hatte jegliche Farbe verloren. »Das ist … das … oh Merlin.« Sie schloss sprachlos und voller Scham kurzzeitig die Augen, schaute dann Hermione an und rannte auf sie zu, um sie ganz fest in die Arme zu nehmen. Ihre Augen schwammen in Tränen. »Davon hat er uns nichts gesagt! Natürlich nicht. Dieser Idiot! Wie kann er so etwas tun? Meine Eltern hätten ihm dafür das Fell über die Ohren gezogen.«
 
Hermione hielt sich an ihr fest. Es tat unendlich gut, bei ihrer Freundin auf Verständnis zu stoßen.
 
Ginny hielt sie ein Stück von sich weg und betrachtete sie genauer. »Trotzdem, das, was du in der Heulenden Hütte gewagt hast, um ein Leben zu retten — ich weiß nicht, ob ich den Mut dazu gehabt hätte.« Sie wiegte nachdenklich den Kopf. »Ich glaube nicht«, gab sie dann leise zu.
 
»Du weißt davon?« Kalkweiß sah Hermione ihre Freundin an, nachdem sie einen flüchtigen Blick in Professor Snapes Richtung geschickt hatte.
 
»Ron hat versucht, das mit diesem Zauber—« Sie warf ihrem alten Zaubertränke-Professor einen vorsichtigen Blick zu. »… naja, du weißt schon … zu erklären. Du kennst ihn, er war nicht sonderlich erfolgreich dabei. Obwohl er behauptet hat, du hättest ihn gezwungen, in einem Buch darüber zu lesen.« Ginny verdrehte die Augen, wurde dann jedoch wieder ernst.
 
Sie wandte sich Severus zu. »Ich schäme mich so sehr, dass ausgerechnet ein Mitglied der Familie Weasley dafür verantwortlich ist, dass Sie aus Hogwarts flüchten mussten«, wiederholte sie.
 
Harry schaute sie erstaunt an. »Aber du hast doch gesagt, dass es nicht Ron war.«
 
Sie schluckte hart. »N-nicht direkt jedenfalls. Er … er stapfte ungestüm durch das Wohnzimmer, fuchtelte mit den Armen in der Luft herum, während er sich lautstark darüber echauffierte, dass Professor Snape überlebt hat. Ron war außer sich, wollte sich überhaupt nicht beruhigen. Ich möchte gar nicht wiederholen, was er sagte. Es war einfach nur schrecklich. Niemand von uns hat bemerkt, wie … Percy den Raum verließ …«
 
»Percy???«, keuchte Hermione.
 
Ginny senkte beschämt den Kopf. »Es tut mir wirklich schrecklich leid, was passiert ist. Ron hat nicht ahnen können, was er anrichtet. Und Percy hat sich über Jahre wie ein verdammter Schwachkopf benommen. Minister Shacklebolt hat ihn zu Recht richtig zusammengefaltet und gedroht, ihn seines neuen Postens im Ministerium zu entheben, als er gestern Abend nochmals bei uns war, um mit Dad zu sprechen.«
 
Harry schaute zu Severus Snape hinüber. »Ich hatte schon lange ein ungutes Gefühl, wenn es um Percy ging. Sie haben ihn damals im Sommer, als er sich von seiner Familie abgewandt hatte, nicht gesehen. Er lief sogar in der größten Hitze mit langen Ärmeln herum. Gut, das hat nicht viel zu bedeuten, aber … Es hat mich gewundert, dass er vor der Letzten Schlacht plötzlich im Raum der Wünsche auftauchte.«
 
Ginny schnappte nach Luft. »Was willst du damit andeuten, Harry?«, fragte sie angriffslustig, während sie die Hände in die Hüften stemmte.
 
Er drehte sich zu ihr herum. »Ich will gar nichts andeuten, Ginny«, antwortete er müde. »Aber sein gesamtes Verhalten in den letzten Jahren war mir ziemlich suspekt. Allein schon, wie er euch behandelt hat … als würde er euch überhaupt nicht kennen …«
 
»Miiiiiaaauuuu!«
 
Ginnys Gesicht hellte sich plötzlich auf. »Oh, ich glaube, ich habe da jemanden vergessen. Und dieser Jemand scheint inzwischen allerdings ein wenig ungeduldig zu werden.« Ginny sah Hermione spitzbübisch an. »Da ist jemand, der wollte mich unbedingt hierher begleiten …«
 
»Krummbein!!!« Hermione stürzte bereits in die Richtung, aus der das Miauen gekommen war. Sie kniete sich vor den großen Katzenkorb und öffnete das Türchen. Wie ein roter Wirbelwind schoss ein großes rotes Fellknäuel mit enormer Geschwindigkeit direkt in ihre ausgestreckten Arme. Sie umschloss es fest mit beiden Armen und verbarg ihr bereits tränenüberströmtes Gesicht in dem weichen Fell. »Ich dachte, du wärst tot«, flüsterte sie. Immer mehr Tränen strömten über ihr Gesicht, Tränen der Erleichterung und des Glücks.
 
Sie hob den Kopf und alle konnten ihr glückliches Lächeln sehen, auch wenn der Tränenstrom nicht versiegen wollte. »Oh Ginny, ich hab’ geglaubt, dass die Todesser ihn auf Bills Hochzeit umgebracht haben.«
 
Ginny lächelte. »Er hat sich oben auf dem Dachboden bei unserem Ghul versteckt und kam erst wieder zum Vorschein, als die Todesser verschwunden waren.«
 
Krummbein begann, in Hermiones Armen zu strampeln bis sie ihn auf den Boden setzte. Er schoss auf die offen stehende Küchentür zu, blieb dann jedoch abrupt stehen und sah auf die vor ihm befindlichen schwarz behosten Beine. Severus glaubte einen Moment lang, ein diabolisches Grinsen in dem Gesicht des Halb-Kneazles zu erkennen, rief sich allerdings selbst sofort zur Ordnung. Kaum hatte er diesen Gedanken zu Ende gedacht, als der Kater begann, sich um seine Beine herumzuwinden, während er laut schnurrte und gleichzeitig eine Menge an roten Haaren auf Severus’ Hose hinterließ.
 
»Er mag Sie!«, stellte Hermione erstaunt fest.
 
»Es macht den Anschein«, bemerkte Severus nach außen hin resignierend.
 
»Normalerweise geht er nicht gern zu Fremden«, setzte sie kopfschüttelnd hinzu, während ihre Augen immer noch auf Krummbein ruhten, der es sich inzwischen auf Professor Snapes Drachenlederstiefeln bequem gemacht hatte.
 
Severus fühlte sich für einen Augenblick wieder in seine Wohnung in den Kerkern versetzt. Für den Kater war er kein Fremder, ganz im Gegenteil. Dieser Halb-Kneazle kannte ihn seit Jahren sehr genau. Krummbein hatte ihn — ohne dass seine Besitzerin überhaupt davon wusste — oftmals abends oder sogar nachts dort besucht, hatte schnurrend wie ein Traktormotor auf seinem Schoß gelegen, während Severus’ linke Hand das wuschelige Fell des Tieres kraulte und seine rechte Hand ein Buch hielt, in dem er las. Auch wenn er dies nicht einmal unter Voldemorts Folter zugeben würde: Er hatte diese Stunden immer genossen, obwohl er sehr genau wusste, wem der Kater gehörte. Er hatte sich diese wenigen Stunden voller Behaglichkeit und Normalität gestohlen.
 
»Miss Granger, wären Sie bitte so freundlich, Ihr haarendes Haustier von meinen Stiefeln zu entfernen?! Abgesehen davon bin ich der Überzeugung, dass wir noch eine spezielle Angelegenheit zu besprechen hatten. Da jeder der Anwesenden in diesem Raum, die gesamte Familie Weasley und wer weiß, wer außerdem noch, bereits darüber informiert zu sein scheint, was bei meiner Rettung geschehen ist — außer mir …!!!« Er ließ den Satz ganz bewusst unvollendet, schaute Hermione nur fordernd an.
 
Hermione seufzte schwer. Schuldbewusst und ergeben konnte sie nur ein leises »Ja. Professor.« herausbringen.
 
 
 
Fortsetzung folgt …
 
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